Praxistest: Insta360 X4 Air – Insta360s Einstieg in die 360-Grad-Welt
Mit der X4 Air möchte Insta360 eine günstige 360-Grad-Kamera auf X4-Niveau als Einstieg in die 360-Grad-Welt bieten. Wohl auch, um sich der Konkurrenz von DJI und GoPro zu erwehren, die kürzlich eigene 360-Grad-Kameras herausbrachten. Wir haben die Kamera in stürmischem Wetter getestet.
IM TEST: Insta360 X4 Air, 399 Euro getestet im Essentials Bundle, 430 Euro
Vorbei die Zeit, in der 360-Grad-Kameras ein Randnotiz waren – das haben auch die Actioncam-Hersteller erkannt. Und so hat Platzhirsch Insta360 mit seiner X5 ordentlich Konkurrenz durch DJI und GoPro bekommen, deren Modelle Osmo 360 und Hero Max 2 günstiger sind als die X5. Auch deshalb und um eine günstigere Alternative zu ihrem Topmodell bieten zu können, hat Insta360 nun die X4 Air vorgestellt, die kleiner und leichter als ihre großen Schwestern ist. Ist die X4 Air aber mehr als nur eine „kleine“ X4? Oder ist sie vielleicht für viele die bessere, weil günstigere Wahl zur X5?
Da Joachim Sauer im seltenen Urlaub weilt, hat sich Jonas Schupp auf das Rad geschwungen und berichtet direkt aus der Praxis, ob die X4 Air eine günstige Alternative zu etablierten 360-Grad-Kameras darstellt.
GEHÄUSE UND AKKU
Als wir das erste Mal von der X4 Air gehört haben, dachten wir, dass die Kamera schlicht eine softwareseitig abgespeckte Version der X4 sein würde, denn das spart Entwicklungs- und Herstellungskosten. Doch weit gefehlt, denn die X4 Air besitzt ein ganz eigenes Gehäuse, welches dank kleinerem Bildschirm vor allem kürzer ist als X4 und X5. Das bedeutet jedoch auch, dass die Air einen neuen Akku verwendet, der nicht kompatibel ist mit denen der großen Schwestern. Insta360 gibt dessen Laufzeit mit 88 Minuten an, wohlgemerkt getestet unter Laborbedingungen. Wir haben im windigen, nassen Herbstwetter etwa eine Stunde mit der Kamera gefilmt und kamen danach auf eine Restladung von 40 Prozent. 80 Minuten halten wir deshalb für realistisch, auch wenn die Laufzeit in der Sommerhitze weiter sinken dürfte. Der Akku ist Teil des Kameragehäuses und ebenso wie die Klappe, unter der sich der USB-C-Anschluss verbirgt, mit Gummi abgedichtet, so dass die X4 Air Wassertiefen von bis zu 15 Metern aushält. Zu einem Test dessen im eiskalten Bodensee konnten wir uns aber nicht durchringen. Praktischerweise besitzt die X4 Air im Gegensatz zur X4 nicht nur ein Gewinde an der Unterseite, sondern auch Halterungen für Insta360s eigene Klemme. Damit braucht man zur Montage auf Actioncam-Halterungen abgesehen von der Klemme keine zusätzlichen Adapter.
Klar zu erkennen: die Akkus von X4 Air (links), X4 (mitte) und X5 (rechts) sind nicht mit den anderen Kameras kompatibel.
SENSOR UND FORMATE
Trotz des kleineren Gehäuses sind die beiden Sensoren der X4 Air im Vergleich zur X4 leicht von 1/2 Zoll auf 1/1,8 Zoll gewachsen. Diese sitzen hinter Schutzlinsen, welche nun auch mit dem aus der X5 bekannten, aber eigens für die Air angepassten Lens Replacement Kit ausgetauscht werden können. Das ist insoweit praktisch, als dass die Actioncam anders als beispielsweise die Osmo 360 von DJI zwecks Linsentausch nicht zum Hersteller geschickt werden muss. Und da Beschädigungen meistens im laufenden Betrieb auftreten, kann man so nach dem Wechsel direkt weiterarbeiten.
Das Lens Replacement Kit enthält alle Werkzeuge, die man zum Tausch der Schutzlinsen benötigt.
Interessanterweise ist die X4 Air bei den Video-Spezifikationen mit dem Topmodell X5 gleichauf – zumindest, wenn man in der höchsten 8K-Auflösung filmt. Dann schaffen beide Kameras maximal 30 Bilder in der Sekunde, als Farbprofil steht den bekannten „Standard“, „Vivid“ und „Flat“ auch „Adaptive Tone“ zur Verfügung, in welchem die Kamera laut eigener Aussage automatisch Helligkeit und Farbe in Abhängigkeit von der Umgebung anpasst. Auch HLG ist bei der Air an Bord, auf I-Log muss man jedoch verzichten – wobei auch die X5 I-Log nur bei niedrigerer 5,7K-Auflösung anbietet. Auf diese muss man auch zurückgreifen, wenn man mit mehr als 30 Bildern pro Sekunde filmen will. In 6K und auch in 4K sind dann maximal 50p möglich. Zusätzlich zur 360-Grad-Aufnahme kann man auch mit lediglich einem Objektiv filmen, wobei dann maximal 4K-UDH möglich ist. Die als „FreeFrame“ und „Me Mode“ bezeichneten POV-Modi aus der X5 sind ebenfalls integriert.
In 8K-Auflösung schafft die X4 Air mit maximal 30 bildern in der Sekunde die gleichen Bildwiederholungsraten wie die X5. HDR und Adaptive Tone sind ebenfalls aus dem Topmodell des Herstellers übernommen.
APP UND SOFTWARE
Was wie immer stört ist die Aktivierung der X4 Air über das Smartphone, ohne welche man nicht mit der Kamera filmen kann. Natürlich ist die App zum Beispiel für Firmware-Updates oder die Kamera-Fernsteuerung wichtig, dennoch würden wir gerne mit einer einmal erworbenen Kamera auch direkt ohne Einschränkungen arbeiten dürfen. Besser gefallen hat uns die Insta360 Studio-Software, in welcher man die Aufnahmen bearbeiten und anschließend ausgeben kann. Für Hobbyisten ist der Umfang des Studios dabei vollkommen ausreichend, um eigenes Material oder kleine Projekte in dem Programm durzuführen. Wir sin im Test diesen Umweg jedoch nur selten gegangen, denn die .insv-Dateien werden in Premiere Pro direkt erkannt. Insta360 liefert ein passendes Reframe-Plugin gleich mit, so dass man direkt im Schnittprogramm arbeiten kann und sich den Umweg erspart.
Ist nach jedem Anschalten die erste Aufnahme abgeschlossen, erinnert einen die Kamera daran, den Clip direkt in die natürlich kostenpflichtige Cloud hochzuladen, was etwas stört.
BILDSTABILISIERUNG
Actioncams, ob 360 Grad oder nicht, brauchen eine gute Bildstabilisierung. Die der X4 Air ist grundsätzlich gut und gleicht unebene Asphalt- und Erdwege gut aus und bekommt auch Schotter einigermaßen in den Griff. Bei Flusskieseln kapituliert die Stabilisierung jedoch – kein Wunder, da das Fahrrad, mit welchem wir über die Piste radelten, keine Lenkerfederung besitzt und die groben Stöße ungefiltert an die Kamera weitergibt. Wer trotzdem stabilisierte Aufnahmen möchte, muss den Umweg über das Studio gehen und dort die Clips nochmals stabilisiert ausgeben. Die Software nutzt dabei das 360-Grad-Aufnahmefeld, um immer den passenden Bildausschnitt zu behalten. So merkt man auch bei den groben Flusskieseln kein Wackeln im Bild.
Die X4 Air (links) ist etwas kleiner als ihre Schwestern X4 (mitte) und X5 (rechts), was vor allem am kleineren Bildschirm liegt.
PRAXIS
Wir haben zeitgleich mit der X4 und der X4 Air gefilmt, um Vergleiche zwischen diesen fast namensgleichen Kameras ziehen zu können. Direkt aufgefallen ist uns die deutlich bessere Farbabstimmung der Air, deren Bild nicht nur natürlicher wirkt, sondern auch nicht so bunt ist wie das der älteren Schwester. Das „Flat“-Farbprofil der Air ist zudem wesentlich flacher und lässt so mehr Raum zur Nachbearbeitung. Für Hobby-Filmende regelt das „Adaptive Tone“-Profil schon automatisch das Bild, so dass man im Schnitt wenig bis gar nicht nachregeln muss – ohne dabei zu bunt zu werden. Nur bei starkem Gegenlicht stimmt die X4 Air die Farben dann doch etwas zu kräftig ab.
Im Vergleich zur großen Schwester bietet die X4 Air natürlichere und besser aufeinander abgestimmte Farben, die zudem nicht so bunt werden.
Schwächen zeigte die Kamera jedoch bei wenig Licht. Zugegeben, Nachtaufnahmen im Automatikmodus sind ein Härtetest für jede Kamera. Die X4 schraubte jedoch den Shutter so weit runter, dass Bewegungen verschwammen. Zudem greift die kamerainterne Rauschreduzierung schon bei ISO 400 und damit zwei Stufen über nativen ISO-Empfindlichkeit von ISO 100 ein. Dadurch bleibt das Rauschverhalten bis zur höchsten Empfindlichkeit von ISO 3200 im akzeptablen Rahmen, doch die Texturen verlieren mehr und mehr Details.
Dank der kamerainternen Rauschreduzierung ist das Bildrauschen auch bei ISO 3200 noch akzeptabel. Doch nimmt die Detailschärfe so weit ab, dass wir lediglich bis ISO 800 gehen würden.
FAZIT
Anfangs stellten wir die Frage, ob die X4 Air mehr ist als nur eine kleine X4. Diese Frage können wir guten Gewissens mit ja beantworten. Von der geringeren Akkulaufzeit abgesehen, bietet sie vor allem hinsichtlich der Bildqualität mehr als die große und teurere Schwester. Schwächen leistet sich die Kamera lediglich bei wenig Licht, nervig ist aber nach wie vor die zwingend erforderliche Aktivierung der Kamera über das Smartphone.
Die Eigenschaften der X4 Air dürften aber für viele ausreichen, sich für diese Kamera und nicht zum Topmodell X5 zu greifen – vor allem, weil beide Kameras in der höchsten Auflösung die gleiche Bildwiederholungsrate und Bildprofile bieten. Im Vergleich erreicht die X4 Air nicht ganz die Bildqualität der X5, kostet aber eben auch etwa 190 Euro weniger. Gerade das macht die X4 Air zu einem sehr guten Einstiegsmodell, bei dem man viel Kamera für sein Geld bekommt.
Wir sind mit diesem Test aber natürlich noch nicht am Ende unserer Testserie zu 360-Grad-Kameras angelangt. Demnächst schauen wir uns die Hero Max 2 von Konkurrent GoPro an und widmen uns anschließend dem großen Vergleich zwischen X4 Air, X5, Osmo 360 und Hero Max 2. Wenn Ihr also noch unsicher bei der Wahl der idealen 360-Grad-Kamera seid, lohnt es sich, dranzubleiben!
+ Preis-Leistungsverhältnis + Farbabstimmung im Vergleich zur X4 + Bildstabilisierung mit Insta360 Studio - Zwangsaktivierung über das Smartphone
DATEN
DATEN UND TESTERGEBNISSE
Hersteller
Insta360
Modell
X4 Air
Preis
399 Euro (Basismodell) 430 Euro (Essentials Bundle, u.a. Ersatz-Akku und 155 cm-Selfie-Stick)
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