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Praxistest: Irix Cine 30mm - das kann die günstige Weitwinkel-Festbrennweite

Kino für alle! Das scheint in den letzten Jahren das Credo vieler junger Objektivhersteller zu sein, die mit günstigen Preisen den Markt aufmischen. Wir haben die 30mm-Weitwinkeloptik von Irix getestet.


Im Test:Irix Cine 30mm, 1156 Euro

Lichtstarke Cine-Objektive sind teuer – so der Mythos. Doch die Globalisierung und eine Herstellung in Fernost haben auch Kameraoptiken für Filmer mit schmalem Geldbeutel erschwinglich werden lassen. In den letzten Jahren sind zahlreiche neue Hersteller dazugekommen, die preislich die etablierten Hersteller herausfordern. Einer von ihnen ist Irix aus der Schweiz, die seit 2015 in Südkorea hergestellte Objektive für Foto- und Videografen anbieten. Neben etwas eigenwilligen Brennweiten von 11, 15, 21, 45 und 150 Millimetern handelt es sich bei dem 30-Millimeter-Objektiv um eine „gewöhnliche“, klassische Weitwinkel-Brennweite. Wie üblich haben sämtliche Optiken der Irix-Serie die Einstellringe für Schärfe und Blende an der gleichen Stelle, was Umbaumaßnahmen von Follow-Focus und dergleichen beim Objektivwechsel beschleunigt.

Irix aus der Schweiz verkaufen vergleichsweise günstige Cine-Objektive, die man in Südkorea fertigen lässt. Was kann ein lichtstarkes Cine-30-Millimeter-Weitwinkel des Herstellers in der Filmpraxis? Wir haben es ausprobiert und zeigen hier unsere Testergebnisse mit Testaufnahmen.

Allerdings sollte man sich bewusst sein, dass nicht alle Objektive der Cine-Serie so lichtstark sind wie das 30-Millimeter-Weitwinkel. Während die 21-Millimeter- und die 45-Millimeter-Variante mit ebenfalls T1.5 in der Lichtstärke noch mit dem 30-Millimeter-Objektiv mithalten können, sind die 15-Millimeter- und die 150-Millimeter-Variante mit T2.6 respektive T3.0 schon ein Stück lichtschwächer. Das 11-Millimeter-Ultrawitwinkelobjektiv hingegen hat mit T4.3 schon eine vergleichswiese kleine Anfangsblende. Dass die Anfangsblenden nicht einheitlich sind, ist wohl im Preis begründet: Jedes Objektiv der Serie ist im herstellereigenen Shop für exakt 1156 Euro zu haben. Interessantes Detail: Irix bieten ihre gesamte Cine-Serie mit aufgedruckter Fokus-Skala in Fuß oder Metern an. Wir haben uns natürlich für letztere Variante entschieden. Als einer der wenigen Hersteller bietet Irix seine Cine-Palette zudem mit L-Mount an, dazu sollten mit Canon EF- und RF-, Nikon Z-, Sony E-, PL- und MFT-Bajonett eigentlich keine Wünsche offen bleiben.

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Irix bedruckt beide Seiten mit allen relevanten Informationen. T1.5 als Offenblende ist gerade in diesem Preisbereich eine Ansage.

AUFBAU UND DESIGNDie Länge der Optik ist mit 13 Zentimetern nicht kurz, doch bei Cine-Optiken ist sie allerdings nicht ungewöhnlich. Auch den Frontdurchmesser von 95-Millimetern mit 86-Millimtern-Filtergewinde kennen wir auch schon von anderen Herstellern. Wobei Irix mitdenkt und Front- sowie Filterdurchmesser direkt auf das Objektiv druckt. Das erspart gerade am Filmset, wo gerne diverse Brennweiten verschiedenster Hersteller zum Einsatz kommen, lästige „Welche Matte-Box passt auf welches Objektiv“-Suchspiele. Auch gut: Die Skalen für Fokus und Blende sind sowohl auf der linken als auch auf der rechten Objektivseite zu finden. Um von der Naheinstellgrenze von 34 Zentimetern die Schärfe in die Unendlichkeit zu verlagern, muss man den Fokusring um fast 180 Grad drehen. Der große Einstellweg erlaubt es, die Schärfe sehr genau und langsam zu ziehen. Wie bei Cine-Optiken üblich, ist kein Autofokus-Motor mit an Bord.

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Irix wirbt mit „neutrino coating“ bei der Vergütung der Linsen. Der Lens-Flair der Optik ist trotzdem sehr markant, wie man im Bild auf der nächsten Seite erkennen kann.

Auch die Blende regelt man manuell, wobei hier der Regelweg 75 Grad beträgt und wie der Schärfegang für unseren Geschmack etwas schwergängig ist. Praktisches Detail soll die Halterung auf der Unterseite sein. Für uns ist die Befestigung für 1/4-Zoll allerdings so klein ausgefallen, dass wir bei der „klassischen“ Methode mit Stativplatte unter der Kamera geblieben sind, auch weil die verwendete Panasonic Lumix S1H mit Cage und externem Monitor ein ordentliches Gewicht hat, welches sonst mehr Druck auf das Objektivbajonett ausübt, als die 1100 Gramm schwere Optik. Dabei ist dann allerdings die Halterung im Weg, weshalb man sie besser abschraubt. Für Neulinge ungewohnt: Handelsübliche Inbusschlüssel passen nicht in die Schrauben, hierfür braucht man extra Schlüssel in Zoll Einheiten – wie in der Filmwelt üblich.


PRAXISStaub- und spritzwassergeschützt und T1.5 als größte Blende, das ist natürlich eine Ansage. Für die Probe aufs Exempel fuhren wir pünktlich zur Abenddämmerung an einen nahen Teich, an dem eine Schwanenfamilie lebt. Am Drehort angekommen dann die Überraschung: Keine Schwäne in Sicht! Nur ein paar Blesshühner drehten einsam ihre Kreise auf dem Wasser. Immerhin konnten wir am nahen Fußballplatz das Fokusatmen überprüfen. Und das ist markant: Beim Verlagern der Schärfe vom Ballfänger auf das Tor, fängt ersterer an zu wandern und die anfangs deutlich sichtbare Lücke (rechts) zum Bildrand zu schließen. Das „very low lens breathing“, wie auf der Herstellerwebsite angepriesen, können wir demnach nicht bestätigen. Für Standbilder – in Ermangelung an Schwänen unser Ausweichprogramm – ist das Atmen jedoch irrelevant. Inzwischen war die Sonne schon hinter dem Horizont versunken und die Dämmerung bereits fortgeschritten.

Irix 30mm 10 Linsen web

Die Cine-Optik von Irix hat ganz offensichtlich zehn Linsen im optischen Aufbau, wie man am starken Lensflair erkennen kann.

Wir wollten schon enttäuscht unsere Ausrüstung zusammenpacken, als die Hauptdarsteller doch noch eintrafen: Aus dem benachbarten Wohngebiet staksten die Schwaneneltern mitsamt drei flauschigen Küken die Wiese entlang zum Weiher. Nun hieß es schnell sein! Doch weil die Schwäne offensichtlich an Menschen gewöhnt waren und uns sehr nahe an sich heranließen, entstanden schnell schön aneinandergereiht eine kleine Geschichte erzählende Aufnahmen, bei denen das Objektiv dann seine ganzen Stärken ausspielte. Der feine Regelweg des Schärferings ließ trotz hohem Widerstand ein genaues Schärfeziehen zu, und in Kombination mit der Panasonic S1H - als ohnehin schon lichtstarker Kamera und mit großer Blende - sehen die Einstellungen eher nach frühem Abend, als nach einer Aufnahmezeit jenseits von 21 Uhr aus.

Irix 30mm fokusatmen web

Das Fokusatmen ist nicht wegzudiskutieren: Liegt die Schärfe im Hintergrund, ist am rechten Bildrand ein breiter Streifen Gras zu sehen (links). Liegt der Fokus auf dem Pfosten im Vordergrund, ist vom breiten Streifen nur noch ein schmaler Strich geblieben (rechts).

Mit offener Blende gibt es dann auch ein schönes Bokeh in der Unschärfe, je nach Lichtquelle rund oder linsenförmig, aber immer harmonisch. Bei der kleinsten Blende von T16 sind dann schon die insgesamt elf Lamellen zu erkennen, beispielsweise bei Gegenlichtaufnahmen, vor allem wenn die Sonne in das Objektiv scheint. Hier stellen wir dann auch fest, dass das Objektiv über zehn Linsen verfügt. Nicht etwa, weil wir auf der Herstellerwebsite nachgeguckt hätten, vielmehr weil jede einzelne Linse im Lens Flare der hereinscheinenden Sonne klar zu erkennen ist. Trotz „neutrino coating“ ist der Lens Flare sehr stark ausgefallen, neben den erwähnten Linsen auch mit Lichtringen und -fingern über fast den gesamten Bildausschnitt. Eine Mattebox ist daher ein Muss.

Irix 30mm Bokeh web

Mit ihren elf Blenden-Lamellen erlaubt die Cine-Optik ein weiches, rundes Bokeh – zumindest bei offener Blende.

FAZITIn Hollywood oder Babelsberg wird das Objektiv wohl nicht zum Einsatz kommen, doch der Vergleich mit Cine-Optiken der etablierten Cine-Lens-Größen ist angesichts der Preisdifferenz etwas unfair. Irix liefert eine Optik, deren Schärfegang vielleicht etwas leichtgäniger, aber kaum sanfter laufen könnte. Selbes gilt für die manuelle Blendenregelung. Eine echte Schwäche ist das ausgeprägte Focus-Breathing, wohingegen man das deutliche Lensflair vielleicht noch als Effekt verkaufen oder mit Mattebox verhindern kann. Mit der Irix 30 mm-Cine-Lens lassen sich vielleicht nicht "die" Hochglanz-Werbevideos und auch nicht für Hollywood produzieren, doch sie versetzt Filmemacher mit bescheidenem Budget in die Lage mit deutlich eleganterer Schärfeverfolgung zu arbeiten. Auch das Bokeh ist bei Offenblende schick. Damit hat sich die Irix -Cine-Lens in jedem Fall einen VIDEOAKTIV-Kauftipp verdient.+ günstiger Preis+ sehr lichtstark+ genaue Einstellräder- deutliches Lens-Flair

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Die Lichtstärke ist definitiv der Trumpf des Objektivs. Die Aufnahme sieht nach Abenddämmerung aus, ist aber tatsächlich schon nach 21 Uhr entstanden.

Autoren: Jonas Schupp, Joachim Sauer / Bilder: MEDIENBUREAU

Artikel begleitend zur VIDEOAKTIV 4/2022:

Praxistest: Joby Wavo Air Stereo-Funkmikrofon - zwei Sender, ein Empfänger Praxistest: Zhiyun Crane M3 - Gimbal für kompakte Fotofilm-Kameras Test: Sony FE PZ 16-35mm F4 G - motorische Weitwinkel-Zoom-Optik für Vollformat Testprotokoll: Panasonic Lumix GH6

 

Newsübersicht - Foto

Link zum Hersteller: Irix

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