Fragen an die GEMA: Teil 2
Sehr interessant und für viele Filmer hilfreich dürften die jetzt im praktischen Beispiel konkretisierten Sätze für Musiknutzung in Videofilmen sein (siehe Fall A), aber auch die Antwort auf die Frage, ob und wann der Filmer auch bei Nutzung GEMA-freier Musik bei der GEMA vorstellig werden muss – der Fall C, zu dem Forums-User Benny nachgefragt hatte.
Aber auch im Fall B nennt die GEMA jetzt das konkrete Vorgehen zur Recherche bei der Frage „Original oder Bearbeitung?" – das könnte für den einen oder anderen Filmemacher ebenfalls nützlich sein.
Damit der inhaltliche Zusammenhang der einzelnen Beispiele klar bleibt präsentieren wir hier nochmals die drei Fälle komplett, zu denen uns die GEMA noch Antworten und Präzisierungen schuldig war. Fragen und Antworten sind hier in der tatsächlichen Abfolge geblieben – die letzte GEMA-Aussage/Antwort findet sich deshalb immer am Ende des jeweiligen Absatzes.
Fall A: Marschmusik auf DVDEin Amateurfilmer dokumentiert die Feierlichkeiten anlässlich eines Gemeindejubiläums und führt den fertigen Film dann bei einer Vereinssitzung vor. Der Bürgermeister sieht die Aufnahmen und erteilt dem Filmer daraufhin den Auftrag, von seinem Werk 100 DVD-Kopien zu erstellen, die im Rathaus zum Preis von je 10 Euro verkauft werden sollen. Der Filmer erhält die Vervielfältigungskosten erstattet und soll von jedem verkauften Film zusätzlich 5 Euro bekommen.
Problem: Der Film enthält eine zweiminütige Passage, in der eine Blaskapelle einen Marsch zum Besten gibt. Der Filmer hat keine Ahnung, wer dieses Musikstück komponiert hat, aber er hat Angst, mit GEMA-Forderungen konfrontiert zu werden. Was muss er machen, um sich GEMA-konform zu verhalten und dennoch den Auftrag des Bürgermeisters erfüllen zu können?
Antwort der GEMA: Wer die Beteiligten an einem musikalischen Werk sind, lässt sich entweder durch eigene Recherchen unter https://online.gema.de/werke/ herausfinden oder durch einen Anruf bei der dort veröffentlichten Kontaktadresse. Normalerweise ist vor einer audiovisuellen Produktion das Herstellungsrecht zu klären, also bevor ein Film mit Musik veröffentlicht wird.


Für die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Musikwerken in einer audiovisuellen Produktion ist die Klärung von einigen Rechten notwendig: Das Herstellungsrecht - die Nutzung von geschützten Musikwerken zur Herstellung einer AV-Produktion bedarf grundsätzlich der vorherigen Einwilligung der Rechteinhaber: der Urheber (Komponisten, Textdichter) bei unverlegten Musikwerken der Musikverlage bei verlegten Musikwerken. Den Kontakt zu diesen Rechteinhabern erhält man ebenfalls über unsere Werkrecherche, die ich bereits oben verlinkt habe. Die Klärung des Herstellungsrechts kann entweder direkt mit den Rechteinhabern oder über die GEMA erfolgen.Bitte beachten Sie: Die Tarife, die der Rechteinhaber für die Verwendung der Musik in einer bestimmten AV-Produktion erhebt, sind nicht normiert und der GEMA nicht bekannt. Die von der GEMA aufgestellten Tarife in diesem Bereich sind lediglich Auffangtarife für den Fall, dass ein Rechteinhaber das Herstellungsrecht nicht selbst vergeben will und die GEMA damit beauftragt.
Nachfrage:Mit welchen GEMA-Kosten muss der Filmer im konkreten Beispiel (ein Musikstück mit 2 Minuten Länge, 100 DVDs, Verkaufspreis je 10 Euro) denn rechnen?
Antwort der GEMA: Der Tarif für das Vervielfältigungsrecht berechnet sich nach dem Tarif VR-BT-H3. Für einen Kostenvoranschlag bei größeren Produktionsmengen würde noch die angedachte Gesamtlänge des Filmes fehlen, da wir eine Pro-Rata-Vergütung haben. Bei einer geplanten Auflage von 100 Stück hat dies jedoch keine Relevanz. Deshalb ergibt sich in den folgenden Ausführungen:
Wenn man davon ausgeht, dass nur 2 Minuten eines bspw. 100-minütigen Films mit GEMA-Musik hinterlegt ist, ergibt dies einen Musikspieldaueranteil von 2%. Die Regelvergütung beträgt ausgehend von einem Preis i.H.v. € 10 (netto ohne Umsatzsteuer) 6,25%, mithin: €10 x 6,25% x 2% = €0,0125 je Träger.
Ziffer II.3. des Tarifs sieht allerdings eine Mindestvergütung i.H.v. €0,0625 je Träger vor (Berechung: 0,625% x €10). Somit errechnen sich €6,25 für 100 Träger (zzgl. 7% ges. MwSt.).
Welcher Betrag noch seitens der Rechteinhaber für das Herstellungsrecht berechnet werden, können wir nicht sagen, da dieser Betrag von den Verhandlungen des Herstellers mit den Rechteinhabern abhängt. Diese Rechte werden nicht von der GEMA wahrgenommen. Vergütungen sind bei verlegten Werken mit dem Verlag und bei unverlegten Werken mit dem Urheber selbst auszuhandeln.
Fall B: Bluesband-KlassikerFreunde eines Filmers spielen in einer Blues-Band. Der Filmer wird gebeten, einen Auftritt der Band zu dokumentieren. Die Aufnahme des Songs „Sweet Home Chicago" aus diesem Mitschnitt will die Band auf ihrer Homepage und zusätzlich auf YouTube einstellen.
„Sweet Home Chicago" wurde bekanntlich von dem 1938 verstorbenen Bluesmusiker Robert Johnson komponiert – also mithin vor über 70 Jahren. Die Band ist damit der Meinung, dass die Urheberrechte für den Song also erloschen sind und der Filmer bzw. die Band dafür keine GEMA-Gebühren zu entrichten haben. Ist das richtig?
Antwort der GEMA: Sollte es sich tatsächlich um die gemeinfrei gewordene Orginalversion handeln, wäre die Videoproduktion frei von Vergütungsansprüchen der Urheber oder einer beauftragten Verwertungsgesellschaft.
Nachfrage: Nur zur Präzisierung/Sicherheit: Der Mitschnitt ist nicht mit der Originalaufnahme von 1936/37 „unterlegt", sondern die Videoaufnahmen zeigen die Band live beim Spielen des Stücks „Sweet Home Chicago". Gilt Ihre obige Aussage auch dafür?
GEMA: Ja, wenn die Band wie gesagt das unbearbeitete Original aufführt.
Zweite Frage dazu:
Wenn der Komponist Robert Johnson 1938 gestorben ist, wieso finden sich dann noch 25 Fassungen von „Sweet Home Chicago" im GEMA-Repertoire – siehe Suche hier?
Darunter ist offenbar die Version von Robert Johnson selbst, aber auch Coverversionen durch andere Blueskünstler wie die von Taj Mahal oder Roosevelt Sykes?
Antwort der GEMA: Darum wies ich detailliert darauf hin, dass es sich um die unbearbeitete Orginalversion handeln muss, um keine Vergütungsansprüche mehr zu verletzen. Wenn eine der Bearbeitungen aufgeführt wird, ist die Nutzung nach wie vor über uns zu lizenzieren. Ab einem gewissen Grad der Veränderung wird eine Bearbeitung schutzfähig, d.h. sie wird wie ein eigenständiges Werk behandelt (u.a. mit einer eigenständigen Schutzfrist).
Nachfrage: Das mag für die Cover-Versionen ja zutreffen. Aber wieso taucht Robert Johnson SELBST mit seinen Originalversionen (seine Songs wurden von ihm ja nur ein einziges Mal aufgenommen) in dieser Auflistung auf, obwohl er länger als 70 Jahre tot ist?
Antwort der GEMA: Robert Johnson ist in diesem Fall immer noch Urheber und wird deshalb in den Bearbeitungen als (ursprünglicher) Urheber weiterhin mit aufgelistet. Beim Urheberrecht an der Bearbeitung handelt es sich zwar um ein selbständiges Urheberrecht, es ist aber dennoch vom geschützten Originalwerk abhängig: Der Bearbeiter muss vor der Veröffentlichung oder Verwertung seiner Bearbeitung die Einwilligung des Urhebers des Originalwerks einholen. Bei verlegten Werken ist dafür in der Regel der Original- bzw. deutsche Subverleger der richtige Ansprechpartner. Vergütungsansprüche bestehen jedoch über die Schutzfrist hinaus auch in diesen Fällen nicht.
Coverversionen sind Musiknutzungen, Bearbeitungen sind eigenständige Werke. Dies ist ein wichtiger Unterschied. In der Werkedatenbank finden Sie lediglich die unterschiedlichen Werke, keine Stücke (also z.B. Coverversionen, die aufgenommen wurden).


Nachfrage: Was ist „Bearbeitung", was „Originalversion"? Was macht das Wesen einer Bearbeitung aus, was muss dazu verändert sein: Text? Melodie? Instrumentierung?
Antwort der GEMA: Dies lässt sich nicht verallgemeinern. Das Urheberrechtsgesetz besagt, dass „Bearbeitungen eines Werks die persönliche geistige Schöpfung des Bearbeiters sind" und „unbeschadet des Urheberrechts am bearbeiteten Werk wie selbständige Werke geschützt werden." Die nur unwesentliche Bearbeitung eines nicht geschützten Werks der Musik wird hingegen nicht als selbständiges Werk geschützt. Eine schutzfähige Bearbeitung setzt also eine erkennbare schöpferische Leistung des Bearbeiters voraus, durch die ein neues, selbständiges Werk entsteht.
Im Gegensatz zu einer solchen schutzfähigen Bearbeitung stehen Benutzungen eines Originalwerks, die die musikalische Substanz der Vorlage im Wesentlichen unverändert lassen – dazu zählen beispielsweise die Herausgabe eines bereits bestehenden Musikwerks, die notengetreue Transkription vorhandener Stimmen auf ein anderes Instrument oder die Reduktion von Partiturstimmen zu einem Klaviersatz.In Zweifelsfällen entscheidet der Werkausschuss der GEMA.
Nachfrage: Wie soll ein Filmer im praktischen Fall wissen, welche der 24 Bearbeitungen die auf seinen Fall zutreffende ist?
Wie will die GEMA also in solchen Fällen sicherstellen, dass die eingenommenen Gelder auch tatsächlich den konkreten Urheber/Bearbeiter erreichen?
Antwort der GEMA: Das praktische Vorgehen ist wie folgt: der Produzent meldet uns, genauer der zuständigen Abteilung Dokumentation Film und Fernsehen (Bayreuther Straße 37, 10787 Berlin (Tel. +49 30 21245 530, Fax-Nr. +49 30 21245 523 / E-Mail:
Fall C: SelbstkomponiertEin Videofilmer dreht für eine befreundete Band ein Musikvideo zu einem Song, den die Band selbst komponiert hat. Keines der Bandmitglieder ist Mitglied der GEMA. Somit kann der Filmer das Video ohne Probleme veröffentlichen, da die GEMA in keiner Weise tangiert ist. Richtig?
Antwort der GEMA: Die GEMA vertritt nur die Interessen ihrer Mitglieder. Ist keines der Bandmitglieder GEMA-Mitglied, nimmt die GEMA auch keine Rechte wahr.
Nachfrage eines Lesers: Zum geschilderten Fall C hätte ich eine Nachfrage an die GEMA. Man hört in diversen Foren immer wieder von der sogenannten Beweisumkehr bzw. der GEMA-Vermutung, nach denen der vermeintliche Rechteinhaber eben dies der GEMA gegenüber belegen muss.
Die GEMA geht also davon aus, dass sie von allen verwendeten Werken die Rechte verwaltet. Der Nutzer muss ihr gegenüber nachweisen, dass es nicht so ist. Was ist da dran? Wenn dem so ist, wäre die Antwort der GEMA auf die Anfrage unter Fall C nur die halbe Wahrheit.
Antwort der GEMA: Die GEMA geht auch bei Videoproduktionen davon aus, dass bei hinterlegter Musik Material eines von der GEMA vertretenen Rechteinhabers zum Einsatz kommt. Jedoch muss im Bereich der Videoproduktionen nicht – wie z.B. im Bereich der Livemusik – proaktiv nach der Nutzung mittels z.B. einer Musikfolge nachgewiesen werden, dass kein von der GEMA vertretenes Werk genutzt wurde. In dem hier beschriebenen Fall wird es wohl nicht zu einem gerichtlichen Vorgehen gegen den Videoproduzenten kommen, in dem dieser dann beweisen müsste, dass die von ihm verwendeten Werke nicht zum GEMA-Repertoire gehören.
(he)Autor: |
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