Hands-On Canon XF 605: Ist ein Camcorder überhaupt noch sinnvoll?
Im Test:Canon XF605, 4759 Euro
Canon hat den neuen XF 605 für die Bedürfnisse der Reportage-Produzenten ausgelegt. Doch Camcordern sind nicht wegen ihrer Bauform aus der Mode gekommen, sondern wegen der vergleichsweise kleinen Sensoren und deren limitierten Spiels mit der Unschärfe. Auch wer Reportagen dreht will mit der Unschärfe arbeiten können – das ist schlicht derzeit der gefragte Bildstil. Der neue XF 605 hat deshalb einen 1-Zoll-Sensor der damit schon (etwas) größer ist. Zugegeben, das ist jetzt keine technische Innovation und das gilt genau genommen auch nicht für die Option 4K mit 50 respektive 60 Bildern in der Sekunde aufzunehmen. Schon bemerkenswerter ist die Farbtiefe: Der XF 605 bietet im XF-AVC Format die Aufzeichnung mit 4:2:2 10 Bit. Wer mit Intraframe Datenstrom arbeiten will erzeugt eine Datenrate von 410 Megabit in der Sekunde und kann lediglich mit 25 respektive 30 Bildern in der Sekunde arbeiten. Wer Speicherplatz sparen und höhere Bildraten von 50 respektive 60 Bildern erreichen will wählt Long-GOP und schreibt die Videodaten mit 260 Megabit pro Sekunde auf SD-Karte. Noch etwas sparsamer mit dem Speicherplatz geht der H.265-Codec um, in dem man mit gleiche Farbtiefe mit 225 Megabit pro Sekunde die Karte beschreibt. Wer mit dem In Full HD soll bis zu 120 Bilder in der Sekunde aufzeichnen können, was bei unserem Vorserienmodell allerdings noch nicht möglich war.
Wir hatten den Canon XF 605 als Vorserienmodell für gut eine Woche in der Redaktion und natürlich auch wieder bei Dreharbeiten mit dabei. Welche Erfahrungen wir mit dem Camcorder gemacht haben, zeigen wir in diesem Video. einen ausführlichen Test gibt is zudem in der kommenden VIDEOAKTIV 1/22.
Super-Zoom
Offensichtlich setzt Canon beim neuen XF 605 das gleiche optische System mit 15-fach Zoom ein. Mit dem Brennweitenbereich von 25,5 – 382,5 Millimeter spielt man so die Vorteile der universellen Einsetzbarkeit aus. Auch wenn wir einige Millimeter mehr Weitwinkel immer noch besser finden liegt man mit damit auf gutem Branchenniveau. In Full-HD lässt sich zudem ein erweiterter 30-fach Zoom nutzen, was wiederum bedeutet, dass nur ein Teil des Sensors ausgelesen wird.

Die fest integrierte Optik verhilft dem XF 605 zu einem 15-fach-Zoom der dank Zoomwippe schnell, langsam oder eben auch dynamisch sauber durchzoombar ist.
Dank dem fest integrierten Zoom muss keine Optik getauscht, und kein Follow-Fokus-System montiert werden. Statt dessen bekommt man die intuitive motorische Zoomwippe. Genau mit dieser haben wir „gespielt“ und im Video eine Zoomfahrt integriert, die den gesamten Brennweitenbereich abdeckt. Die Aufnahme zeigt dabei, dass im Telebereich, nicht zuletzt durch die dann weiter geschlossene Blende, die Schärfentiefe eher gering ausfällt – sich dann aber im Weitwinkel ganz schön aufbaut.

Die Handhabung mit dem Henkel ist gut für das Führen aus der Hand geeignet. Das Display dürfte allerdings etwas heller sein.
Bedienung
Das Menü ist vielleicht etwas kleinteilig aber gut strukturiert. Oft bemühen muss man es nicht, denn wie in der Profiklasse üblich sind alle wichtigen Tasten direkt am Gerät. Das beginnt mit der praktisch in der Nähe der Zoomwippe positionierten Display-Vergrößerung bis zum auf der linken Seite befindlichen Bedienfeld, das Canon auch optisch gut strukturiert: Vorn sind die Schalter für die Automatik-Funktionen, daneben Tasten für Hilfsfunktionen und eine Reihe wieder Schiebeschalter für weitere Automatiken. Optisch etwas abgetrennt davon die Funktionstasten für Menü und Display sowie auf der anderen Seite die ND-Filter. Welchen Knackpunkt wir in der Bedienung des Audioteils sehen, zeigen wir im Video.
Der XF 605 kommuniziert natürlich auch mit einer App: Content Transfer Mobile (CTM) erlaubt die Eingabe von Metadaten vor und nach der Aufnahme und organisiert die Übertragung auf einen Server. Allerdings hat sich Canon hier was einfallen lassen: Die App gibt es nur einen Monat kostenfrei. Wer dann Geschmack daran gefunden hat muss 4,49 Euro pro Monat berappen.

Ohne Frage liefert der XF 605 eine professionelle Audioumgebung, allerdings verteilt Canon das gut über den gesamten Camcorder.
Fazit
Ja, ein Camcorder kann seine Vorteile immer noch ausspielen: Um den Brennweitenbereich abzudecken braucht man bei einer Vollformatkamera mindestens 3 Objektive, was zum einen teuer ist und bei den Dreharbeiten immer wieder Unterbrechungen mit sich bringt. Und natürlich kann man mit drei Objektiven nicht komplett durchzoomen – ob man das so häufig benötigt ist allerdings dahingestellt. Wir drehen selbst mit Systemkameras und kennen deren Vorteile beziehungsweise lieben deren Bildeindruck mit eleganter Unschärfe. Hier kann der XF 605 sicher nicht mithalten. Selbst die erreichbare Unschärfe sieht vergleichsweise hart aus. Doch dafür liefert er so zuverlässige Automatiken, die auch die beste Vollformat-Fotokamera derzeit nicht bietet. Und mit der klassischen Henkel-Camcorder-Bauform und den vielen Tasten ist er zudem in der Handhabung klar im Vorteil.+ guter Bildstabilisator+ sehr viele Direkttasten+ gute Netzwerkfunktionalität (mehr dazu im Test der VIDEOAKTIV 1/22)- unangenehmes Lüftergeräusch

Der Akku sitzt leicht angeschrägt im Gehäuse, was das entnehmen erleichtert. In das Gehäuse passen Akkus mit verschiedenen Leistungsklassen, so dass die Laufzeit eigentlich immer ausreichen sollte.

Der Camcorder lässt sich via USB-C als Webcam am Rechner anschließen. Noch nicht aktiv war das direktes Streaming via Netzwerk. Das Speichern von Videodaten auf einem FTP-Server klappte im Test.
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