Zum Hauptinhalt springen

Test: Magic Lantern 5D3.123 für Canon DSLRs

Mittlerweile ist es bei vielen Produktionen mit DSLRs üblich, mit gehackter Firmware zu arbeiten, um beim Dreh wichtige Funktionen zur Verfügung zu haben, die der Hersteller selbst nicht freigeschaltet hat. Eine davon ist Magic Lanterns 5D3.123 für die Canon EOS 5D Mark III, die wir in der Praxis ausprobiert haben.


 

Seit drei Jahren macht Magic Lantern von sich reden. Seit ein paar clevere Computerhacker darauf kamen, dass Canon-Kameras beim Start checken, ob auf der eingelegten Speicherkarte neue Software- Updates für neue Funktionen liegen – und das dazugehörige Entwicklertool in die Finger bekamen. Unter den Programmierern waren ambitionierte Filmer, die den Spiegelreflex-Kameras flugs all die Funktionen beibrachten, um die Videasten bei Canon bis heute vergeblich betteln. Der Nutzen des Programms steigt, je älter die Kamera – oder je billiger das Modell.

Magic Lantern gibt's umsonst; viele Funktionen sind ohne die Zusatzsoftware in keinem Modell enthalten: Etwa die Möglichkeit, die bei der Aufnahme erzeugte Datenmenge zu beeinflussen. Normal ist bei Canon im H.264-ALL-I-Modus (Intra- Frame Einzelbildkomprimierung) 25 fps eine Datenrate von 91,3 Megabit pro Sekunde. Doch mit Magic Lantern lässt die sich platzsparend reduzieren – und auch aufs Dreifache aufpumpen. Letzteres bedeutet weniger Kompression, mithin eine bessere Bildqualität. Theoretisch jedenfalls, zu sehen ist der Unterschied in der Praxis kaum: ein wenig mehr Spielraum im Color Grading, ein wenig mehr Struktur im Standbild – das war's.

Wir hatten die Version 5D3.123 am Start. Die bietet sogar kompressionsfreie Aufzeichnung in 14 Bit RAW an. Die Weiterverarbeitung ist allerdings etwas für Qualitätsfanatiker: Die Dateien müssen mit dem kostenlosen Programm RAWMagic Lite von Rarevision in CinemaDNG umgewandelt werden, Die resultierende Datenflut verkraftet kaum ein Rechner, deshalb erstellt man in der Praxis in einem Color-Grading- Programm wie Da Vinci Resolve Proxy- Dateien in einem kleinen Zwischenformat – dann schneidet man und passt danach im Color-Grading-Programm den Look an.

Aufmacher Das Gratis-Progrämmchen Magic Lantern optimiert Canon-Kameras auf die Anforderungen von Filmern. Wer die Möglichkeiten zum ersten Mal testet, dem geht wahrlich ein Licht auf Menü Wenig übersichtlich, aber schnell zu erreichen sind die Funktionen im Direktmenü. RAW Video Nur eine von vielen Änderungsvarianten bei der RAW-Aufzeichnung: die Formatauswahl.

Schließlich erfolgt wieder im Schnittprogramm der finale Export auf HD. Diese RAW-Funktion ist noch in der Beta- Phase und lief nicht stabil: Mehrmals brach eine Videoaufnahme ab, wenigstens kam es nicht zum Totalabsturz. Schön wäre es, wenn Magic Lantern auch die Bildrate erhöhen könnte, wie öfters zu hören, doch das geht leider nicht.

Bedienung

Hauptsächlich verbessert das Programm die Belichtungskontrolle und vereinfacht die Bedienung. Nach dem Einschalten der modifizierten Kamera ist zunächst nichts zu spüren. Erst ein Druck auf die Mülleimertaste zeigt ein übersichtliches Menü mit elf Kapiteln. Mit dem Menücontroller und dem Scrollrad werden diese wie gewohnt aufgerufen. Seitenlange englische Unterpunkte wählt der Fotograf mit der Taste „Q" aus. Die erste Menüseite bearbeitet Audio: Ein Stereo-Pegelmeter zeigt nun auch bei der Aufnahme die Lautstärke. Andere Canon- SLR oder ältere Modelle können das noch nicht. Es gibt zwar die Möglichkeit, zu pegeln – aber nicht beim Recording.

Auch die normalen Aufnahmefunktionen wie Weißabgleich, ISO, Shutter und Blende definiert das Programm neu. Das hat Sinn, denn so braucht man nicht von der Magic-Lantern-Ansicht in die gewöhnliche zu wechseln, was dennoch einfach über die Info-Taste (5DMIII) möglich ist. Dazu kommt jedoch eine Dual-ISO-Funktion für die RAW-Aufzeichnung. die jedem Bild einer Szene zwei ISO-Werte zuordnet, um eine hohe Dynamik zu erzeugen. Dadurch entstehen mehr Informationen zwischen dem hellsten und dem dunkelstem Punkt im Bild. So brennt etwa bei einer Außenaufnahme der Himmel nicht aus, wenn eine Person im Schatten belichtet wird.

Verwandt ist die Funktion mit High Dynamic Range (HDR), die auch bei normaler Filmaufzeichnung (ohne RAW) funktioniert. HDR-Video zeichnet mit doppelter Framerate alternierend Bilder mit hoher und niedriger Empfindlichkeit auf. Beim Schnitt werden die Daten zu richtig belichteten Bildern kombiniert. HDR-Fotografie können Canon-Kameras schon lange. Die Funktion wird nur für Film erweitert. Die Empfindlichkeit der Aufnahme ist feiner dosierbar: Drittelschritte (etwa 100, 125, 160, 200, 250, 320 ISO) sind möglich. Leider gibt es keine Einstellung, um die Empfindlichkeit zu senken, was dem Dreh mit kleiner Schärfentiefe entgegenkäme. Der eine oder andere Graufilter wäre verzichtbar.


Overlays Die Hilfseinblendungen sind einer der wichtigsten Einsatzbereiche des Programms.

Bildkontrolle

Es ist ja schön, neue Funktionen zu finden, doch mindestens genauso wichtig ist es, das Bild auf dem kleinen Monitor besser kontrollieren zu können: Ein Histogramm visualisiert die Kontrastverteilung in einem Bild, es zeigt nicht, wo sich die unterbelichteten Stellen befinden. Das kann ein Waveform-Diagramm. Canon selbst hat das Histogramm nur beim Einstellen und nicht bei der Aufnahme. Erst Magic Lantern bietet viele dieser Belichtungshilfen. Es stellte sich aber heraus, dass die Anzeigen nicht hundertprozentig verlässlich sind: Sie ruckeln oder fallen bisweilen aus, wenn mehrere Funktionen gleichzeitig genutzt werden.

Manches Mal stoppt dann die Aufnahme. Schuld daran ist der zu kleine Zwischenspeicher der Kamera. Läuft er voll, muss die Programminformation zur Ausführung der Funktion parallel zur Datenspeicherung von der Karte abgerufen werden. Gerade bei der Aufzeichnung mit hoher Datenrate entstehen so Engpässe. Die Geschwindigkeit des Speichermediums ist ausschlaggebend. Getestet wurde mit der schnellen SanDisk Extreme Pro CF Karte mit 90 Megabyte pro Sekunde UDMA 7 Class 20.

Auch hier kam es bei RAW-Filmaufnahmen noch zu Abstürzen. Für Dokumentarfilmer, die auf die Einmaligkeit des Augenblicks angewiesen sind, ist das ein Unding. Kontrollieren will der Profi auch den Bildausschnitt – den er vielleicht in Cinemascope anlegt, in 1,78:1 oder gar in 2,35:1. Kein Problem: Magic Lantern blendet Masken (Cropmarks) halbtransparent oder voll schwarz ein und erlaubt zudem, diese mit einem Grafikprogramm individuell zu gestalten und als .png zu speichern. Noch nicht voll funktionsfähig zeigte sich die anamorphe Vorschau, die bei Verwendung von Cinemascope-Optiken die Bildverzerrung aufhebt. Ein Gag für Spielfilmfreunde.

Ein großes Manko an Canon-Kameras ist das Fehlen des Peakings, was beim Dreh einen Kontrollmonitor unverzichtbar macht. Diese farbige Kantenanhebung scharfer Bildteile stellt Magic Lantern zur Verfügung. Leider zeigte es sich im Test als etwas unempfindlich und versagte gerne in dunklen Bildteilen. Da das Peaking berechnet werden muss, ist es auch nicht in Echtzeit verwendbar. Besser ist da schon die Video-Aufnahmelupe.


Fazit

Je nach Geschwindigkeit des Speichermediums, der Datenrate der Aufzeichnung und dem Kartenfüllstand beendet Magic Lantern eine Aufnahme, wenn zu viele Funktionen ausgeführt werden. Für den perfekten Einsatz ist also eine genaue Einarbeitung nötig – zum einen, um Funktionen wie das Waveformbild interpretieren zu können, zum anderen, um zwischen vielen Fotofunktionen schnell die richtige Einstellung zu finden.

Experimentieren und testen für die eigenen Anforderungen ist nötig, dann kann das Werkzeug, das unglaublich professionell aussieht, unentbehrlich werden – auch wenn es weniger hält, als die Hackercommunity gerne verspricht.

Christoph Silmann

MAGIC LANTERNSo funktioniert der Hack zuverlässig

Magic Lantern nutzt ein Canon-Entwickler-Feature, durch das während des Kamerastarts eine Datei auf der Speicherkarte ausgeführt wird. Ohne Änderung des ROM und der darin enthaltenen Firmware werden diese Dateiinhalte in den Arbeitsspeicher geladen und verschwinden bei Austausch der Speicherkarte genauso spurlos, wie sie erschienen sind. Erfreulich dabei, dass für Magic Lantern die DSLR weder aufgeschraubt nochanderweitig technisch modifiziert werden muss. Die Software schiebt sich lediglich vor die Original-Firmware und lässt sich mit wenigen Klicks wieder entfernen.Der Garantieanspruch sollte daher nicht verloren gehen (klar: wenn durch Magic Lantern Schaden entstanden ist, dann fällt der Anspruch weg). Unter www.magiclantern.fm kann das passende Magic Lantern für die verschiedenen Kameramodelle von Canon kostenlos heruntergeladen werden. Vor der Installation muss die Kamera auf Werkseinstellungen zurückgesetzt werden.Ist das Progrämmchen vorschriftsmäßig auf die Karte gezogen, erscheint ein Bestätigungsmenü im Screen. Canon und Magic Lantern arbeiten ab dann Hand in Hand. Für die „Deinstallation" wird die Karte mit dem Magic- Lantern-System in der Kamera formatiert: Beim erneuten Start ist Magic Lantern wieder verschwunden.

Histogramm Das Magic-Lantern-Aufnahmemenü zeigt oben links den Audiopegel, rechts die Restkapazität der Karte. Einblendungen wie das Histogramm reagieren auch während der Aufzeichnung. Testergebnisse Hersteller Magic Lantern Produkt Magic Lantern Preis kostenlos Internet www.magiclantern.fm Version im Test 5D3.123 Stabile Versionen für

5D Mark ii  2.1.2

50D           1.0.9

60D           1.1.1

500D         1.1.1

550D         1.0.9

600D         1.0.2

URTEIL

befriedigend Preis/Leistung sehr gut

 


Beitrag im Forum diskutieren

 

Autor:
Bildquellen:
160x600

Weitere Kamera-Artikel

Test: DJI Osmo Nano mit Vergleich zur Insta360 Go Ultra

| Magazin Kamera
Noch kleinere Actioncams liegen offensichtlich im Trend, denn nach Insta360 mit ihrer Go Ultra bringt nun auch DJI die Osmo Nano heraus – eine gut 50 Gramm leichte Kamera mit abnehmbarem Bedienteil. Wir haben die Osmo Nano…

Hands-on Nikon ZR: Cine-Kamera mit RED-Genen

| Magazin Kamera
Mit der ZR präsentiert Nikon in Kooperation mit RED eine kompakte Cine-Kamera, die gezielt auf die Bedürfnisse professioneller Filmschaffender zugeschnitten ist. Auf der IBC hatten wir die Gelegenheit, gleich mehrfach mit der…

Drohnentest: DJI Mini 5 Pro – 1-Zoll-Sensor und LIDAR auf 249 Gramm

| Magazin Kamera
  Die Mini 5 Pro ist draußen und für uns stellt sich nicht nur die Frage, was sie besser macht als die Mini 4 Pro, sondern auch, inwieweit sie sich von der günstigeren DJI Flip absetzen kann. IM TEST: DJI Mini 5 Pro…
160x600