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Report: privater Spielfilmdreh in Thailand

Noch nie war es so einfach, seinen eigenen Spielfilm zu drehen, meint VIDEOAKTIV-Leser Steffen Hacker. Der Teufel stecke lediglich im Detail, und von eben diesen Details wird er in einem dreiteiligen Artikel über sein Spielfilmprojekt „On the Run" berichten. Für dieses Projekt ist er fast ohne Ausrüstung und Budget nach Bangkok geflogen.


 

Der eigene Kurz- oder Langspielfilm ist für jeden Filmschaffenden ein Traum, und nach vielen Jahren Regie und Postproduktion in der Werbebranche sagte ich mir: „Jetzt oder nie!". Natürlich stehen mir keine Mittel zur Verfügung, um auch nur 15 Minuten in der Qualität eines Hollywood-Films zu erschaffen – aber eine zu kurze Vorbereitungszeit und zu geringes Budget ließ ich nicht als Grund gelten, nur eine kleine „deutsche" Geschichte zu erzählen. Und so habe ich den überfälligen Jahresurlaub nach Thailand verlegt, und dort den Filmanfang gedreht. Der Unterschied zum deutschen Winter ist riesig und sorgt für zwei Bildwelten, die um diese Jahreszeit verschiedener nicht sein könnten. Die weiteren Dreharbeiten sind in Berlin und Stuttgart geplant.

Meine Story

Das Drehbuch sollte einfach und actionreich wirken, brauchte aber, weil „nebenbei" geschrieben, Monate bis zur Endfassung: Eine deutsche Studentin trifft als Rucksacktouristin in Thailand eine junge lebenslustige Asiatin. An ihrem letzten Tag vor der Heimreise genießen die beiden Frauen die Sehenswürdigkeiten und das Nachtleben Bangkoks – bis sie von Fremden verfolgt und angegriffen werden. Der Überfall endet dramatisch, und unsere Heldin flieht zurück nach Deutschland – aber dort ist nichts mehr, wie es war. Was genau passiert ist, entdeckt sie erst, als sie den Kampf um ihr altes Leben aufnimmt.

Diese Thriller mit Mystery-Elementen basieren auf der einfachen Prämisse „Was wäre, wenn Du zum Gejagten in Deiner eigenen Heimat wirst?" – eine Grundidee, auf der viele große Filme aufbauen. Klares Vorbild für mich ist die „Bourne"-Trilogie.

Kofferpacken

Obwohl es in Bangkok Profi-Equipmentverleiher gibt, brachte ich das Meiste mit; sonst bekommt man doch nicht das, was man will, und die Preise vor Ort sind nur für Einheimische gut. Europäer zahlen immer einen Zuschlag – egal, ob sie Kaffee trinken oder Stative mieten.

02 auf der flucht

Für sein Filmprojekt ist VIDEOAKTIV-Leser Steffen Hacker nach Bangkok geflogen - mit wenig Ausrütung und geringem Budget.

Fotos: Steffen Hacker

01 auf der flucht

Aufgeriggt: die Sony FS 700 mit dem Carl-Zeiss-A-Mount-Objektiv 16-35 Millimeter f1,4-2,8 und Tiffen-Graufilter. Das Schulterrig und die Griffe sollten für Tragekomfort sorgen. Nach dem ersten Tag ließ ich es weg. Es stabilisierte wenig und war nur schwer.

Fotos: Steffen Hacker

Außer mit meiner Panasonic GH 2 wollte ich auf jeden Fall mit einer professionellen HD-Kamera in Thailand drehen, die ohne Assistenten zu bedienen ist, gleichzeitig aber die beste Bildqualität für Blu-ray und Kino bietet. Sony lieh mir lichtstarke A-Mount-Objektive und eine NEX-FS 700, die mit ihrer Zeitlupen-Fähigkeit (siehe Heft 1/2013) und ihrem internen ND-Filter perfekt für einen Guerilla-Dreh in Bangkok war. Für die Nachtshots hatte ich einige lichtstarke Festbrennweiten für die FS 700 im Gepäck, meine Standardoptik sollte das Carl Zeiss 16-35 Millimeter ZA SSM werden. Fokussiert habe ich hauptsächlich von Hand; ein Rig stand zwar auf der Equipmentliste, den Scharfzieh-Ring (Follow-Focus) habe ich mir aber gespart. Vor dem Dreh testete ich beide Kameras und definierte bei beiden die maximale Empfindlichkeit bei ISO 1600. Natürlich rauschte die GH 2 da etwas mehr, machte aber auch die schärferen Details, zumal ich einen Driftwood-Hack verwende, der die Datenrate auf 70 Megabit pro Sekunde aufbohrt.

Wer mit digitalen Filmkameras dreht, der hat vorher eine Gammakurve mit eingeprägter Look-up-Table (LUT) ausgewählt, um seine Vorstellung von Kinolook festzulegen und vor allem den hohen Kontrastumfang dieser Kameras in die Nachbearbeitung zu retten. Ich verwendete einen von Abelcine bereitgestellten Look, machte ihn aber etwas weniger flach, da er mir ein zu kontrastarmes Bild einfing. Generell empfehle ich jedem, die Aufnahmen etwas unterzubelichten. Eine thailändische Filmproduktionsfirma, mit der ich unlängst einen Werbespot in Bangkok drehte, sagte zu, gegen eine Minimalbezahlung beim Dreh zu helfen, denn als Europäer alleine in Bangkok, das wäre ein aussichtsloser Kampf gewesen.

Organisation

Mir war klar, dass man auch in asiatischen Ländern nicht einfach mit einer professionellen Kamera in der Hand durch die Städte läuft. In Thailand musste das Drehbuch (auf Englisch!) vorher von den Behörden abgesegnet werden, und es müssen Drehgenehmigungen gestellt werden – und zwar von thailändischen Staatsbürgern Eine Aufsichtsperson der lokalen Filmbehörde muss an jedem Drehtag anwesend sein, sonst kann es passieren, dass der ambitionierte Filmemacher schneller im Gefängnis sitzt, als er denkt.

Ein selbst finanzierter Spielfilm, auch wenn er nur im Wald spielt, kostet im Handumdrehen 20.000 oder 30.000 Euro, wenn man eine gewisse Qualität und längere Laufzeit anpeilt – auch bei kostenlos arbeitender Crew. Denn Guerilla-Filmmaking hin oder her: Sprit, Essen und Equipment gibt es nicht umsonst. So wurde der Dreh in Thailand deutlich teurer, als ich dachte, und verschlang etwas mehr als ein Drittel meines Budgets. Trotz der nicht so einfachen Drehbedingungen war Bangkok aber im Vergleich mit Deutschland fantastisch günstig: Obwohl deutsche Crews bei Indie-Filmen oft für ein kleines Taschengeld und Rückstellungsverträge arbeiten, und obwohl ich in Thailand jedes Teammitglied und Extras bezahlen musste. Auf Märkten in Bangkok etwa gibt es Straßenpolizisten, die vor den Dreharbeiten immer angesprochen werden müssen. Die Stadt wird nicht erst seit „Hangover 2" als Sündenpfuhl dargestellt – da legt man sich mit der Obrigkeit lieber nicht an. Für andere Locations haben wir auf die überschaubare Größe der FS 700 gesetzt – und so Aufnahmen von einen Tempel bekommen, die sonst nur „echten" Touristen erlaubt sind. Die Thailandsequenz von „On the Run" hatte drei Drehtage und drei Organisationstage. Insgesamt rechne ich mit dem Siebenfachen – noch!

03 auf der flucht

Die 4x4-Kinoflo-Flächenlampe war unsere Sonne bei Nacht und unentbehrlicher Helfer bei Tag. Daneben kamen zwei mitgebrachte LED-Lampen zum Einsatz – sonst wurde mit vorhandenem Licht improvisier

Die Komplette Technikliste:

Sony NEX-FS 700 Panasonic Lumix GH 2 mit Kit-Linse und Canon-EF-Adapter Metabones-Adapter für Canon-EF-Linsen an E-Mount der Sony FS 700 ein Schulterrig für die Sony FS 700 ein kleiner Haltearm für die GH 2 zur Stabilisierung zwei portable LED-Lichter eine 4x4-Kinoflo mit Stativ

Carl-Zeiss-A-Mount-Linsen:

16-35 mm Zoom f2.8 35mm f1.4 85 mm f1.4

Canon-EF-Linsen:

Sigma 14 mm f2.8 Sigma 50 mm f1.8 Canon 100 mm f2.8
Auf dem Blumenmarkt: Die Thailand-Hauptdarstellerin Jan Yousagoon, ihr deutsches Pendant Esther Maaß, Regisseur und Kameramann des Projekts, Steffen Hacker (von links). 04 auf der flucht 05 auf der flucht Für gutes Filmlicht braucht man keinen voll ausgestatteten Licht-Laster: Wer weniger dabei hat, muss mehr tricksen. Unser Licht bestand aus einer 4x4-Kinoflo und zwei LED-Handlampen, den Rest besorgten im Set vorhandene Lichter – keine leichte Aufgabe in beengter Umgebung wie hier. Weil die meisten Szenen nachts spielen, war trotz wenig Licht Gestaltung möglich. Um Szenen an belebten Orten zu drehen, sperrt man entweder weitläufig ab und „füllt" die Szenerie dann mit einer großen Zahl an Komparsen oder man versucht, sich mit einem kleinen Team unauffällig in den Menschenmassen zu bewegen. Thailänder ignorierten Kamera und Tonangel im Gewühl und haben unsere Aufnahmen als perfekte Statisten über sich ergehen lassen, komplizierter waren die touristischen Plätze. 06 auf der flucht 07 auf der flucht

Einer der größeren Dialoge spielt auf der berühmten Khaosan Road. Die Backpacker-Straße Bangkoks ist eine Touristenmeile mit einem visuellen Overkill, den ich einfangen wollte. Leider fingen wir uns aber auch die europäischen Touristen ein, die oft neugierig hinter den beiden Darstellerinnen stehenblieben, um zuzuschauen. Für wen wir drehen, fragten sie zwar erst, wenn der Take im Kasten war – unbrauchbar war er dann trotzdem.

 

 
Der Trick gegen störende Touristen: Wir begrenzten die Schärfentiefe der Sony FS 700 mit einem variablen Tiffen-ND-Filter vor dem 50-Millimeter-Carl-Zeiss-Objektiv und schalteten die internen ND-Filter dazu, die sechs Blenden schlucken. Mit dieser Verdunkelung drehten wir bei strahlendem Sonnenlicht mit offener Blende und erzeugten eine Unschärfe, die dem Look eines Full-Frame-Sensors ähnelt und Personen schon einen Meter hinter den Darstellern unscharf abbildet – so waren Störenfriede im Bild eliminiert. 09 auf der flucht 08 auf der flucht Die Reisenden lernen sich kennen. Das harte Spitzlicht auf der Schulter und die Aufhellung im Gesicht sind mit Styros von der Kinoflo zurückgeworfen. Die erste LED-Lampe bescheint die Rosen im Vordergrund, damit sie sich vor der Tiefe des Raums visuell abheben, die zweite Lampe liegt auf dem Kühlschrank im Hintergrund, dient als zweites Spitzlicht und „verlängert" das echte Licht, das der Kühlschrank abgibt. Schön wäre eine Aufhellung für die Haare im Vordergrund, aber der Darsteller im Fokus hat Vorrang. Die Tanzszenen in einem Club brauchten nur wenige Komparsen – meist Teammitglieder. Wir kombinierten die Szenen mit Zeitlupen aus der FS 700. Jede Bewegung sieht bei vierfacher Verlangsamung spektakulär aus, und Tanzszenen funktionieren perfekt. Wir drehten mit 24 Bildern pro Sekunde in NTSC (für Blu-ray-Authoring die beste Wahl und problemlos, wenn eine DCP-Kinodatei entstehen soll). Doch für die Zeitlupe schalteten wir auf PAL, weil sonst die Lampen sichtlich flackern. Thailand ist ein 50-Hertz-Land. 11 auf der flucht 10 auf der flucht

Mit im Gepäck war meine Panasonic GH 2 mit Kit-Linse und Canon-EF-Adapter. Diese filmende Spiegelreflex-Cam ist so kompakt, dass sie sogar Platz im Fußraum des Tuk-Tuks fand. So konnte ich mit einem 14-Millimeter-Sigma-Weitwinkel (das an einer GH 2 mit dem Cropfactor von 2 zum „gemässigten" Weitwinkel wird) während der Fahrt filmen. Das wirkte fast, als hätte ich ein Car-Rig (ein auf den Seiten offener Anhänger mit Requisitenaufbauten) für eine Hollywood-Produktion gehabt.

 

 
Auf zwei Tuk-Tuks durch die Großstadt – spaßig, aber unsicher. Deshalb verließ ich mich hier auf eine einzige Linse, das Zeiss 16-35 Millimeter ZA SSM f2.8, das für den Abstand zweier Fahrzeuge zueinander genug Abwechslung in der Brennweite bot. Für fast alle anderen Aufnahmen kamen Festbrennweiten zum Einsatz, weil sie noch lichtstärker (was nachts einiges ausmacht) und leichter (für Handkamera-Aufnahmen im „Run-and-Gun-Style") sind. 12 auf der flucht 19 auf der flucht Unterschiedliche Kameras an einem Set fallen im Schnitt weniger ins Auge, wenn filmisches Licht gesetzt wird. So setzten wir unser Hauptlicht ein, als ob wir tagsüber bei Sonnenschein drehen würden – die „Sonne" immer als Hintergrundlicht hinter den Schauspielern (was ein herrliches Spitzlicht ergibt), von schräg vorne wird das Licht weich mit Styrophorplatten reflektiert. Der Videolook verschwindet nicht einfach, indem man sich eine teurere Kamera kauft, sondern erst durch ein „filmisches Bild". Zum Kinolook gehört auch das Anordnen von Personen. Der ältere Darsteller, der den Hostel-Besitzer spielt, war zum Beispiel klein und stand vor einem dunklen Schlüsselkasten, was ein langweiliges Bild ergab. Als wir ihn auf eine Holzbox stellten, kamen die Metallobjekte auf der Box ins Bild, die in der Unschärfe schöne Reflexionen erzeugen und den Hintergrund lebendig und interessant machen. Je schöner die Unschärfe bei geringem Abstand zur Wand dann aussieht, desto besser. 14 auf der flucht 13 auf der flucht

Ein Schlüssel zum „Hollywood-Look" liegt in der Atmosphäre der Räume – niemand will ein cleanes Set sehen, schon gar nicht in Bangkok. Im Hostel hatte alles Patina, Dreck – deshalb liefen bei diesem Dreh auch fast unentwegt Nebelmaschinen. Ein Problem war dann freilich, dass das Nebelfluid auf dem Boden kondensierte und große Pfützen bildete, in denen die Schauspieler bei den Action-Szenen dann ausrutschten. Und natürlich kann man nicht jede Location mit Nebel zuqualmen.

 

 
Nacht und Nebel-Aktion: An unseren Sets lautete die Devise „Mehr ist besser", und oft musste man das Bild tatsächlich erst durch den Kamerasucher beurteilen, um die Nebelwirkung einzuschätzen, weil einem der Dunst in der realen Welt mit bloßem Auge schon zu stark vorkam. Hier bliesen wir den Nebel fast 15 Sekunden lang in Gullideckel, so konnte während des laufenden Takes immer ein gleichmässig ästhetischer Nebelstrom entweichen und die Sets stimmungsvoll bereichern. 15 auf der flucht 16 auf der flucht Der Showdown in Bangkok war vor allem lichttechnisch ein Problem – wir verlängerten den Schein einer zu dunklen Straßenlaterne mit unserer Kinoflo-Leuchte, die aber somit dauernd im Bild war. Ein paar große Körbe mit Abfall brachten Sichtschutz für die Kamera und dienten als Abfangmöglichkeit für die Hauptdarstellerin, die im Kampf zu Boden geht. Wir richteten dieses Set drei Stunden lang ein und drehten die ganze Nacht – bis uns die Anwohner verscheuchten. Beim Schlusskampf wollte ich möglichst auf Schnitte verzichten – am Stück kommen gut choreografierte Kampfsequenzen am besten, wenn Fehler nicht durch schnellen Schnitt kaschiert werden müssen. Es kann auch irgendwo im Hintergrund ein Scheinwerfer stehen, die bei schnellen Durchschwenks ein schönes Gegenlicht erzeugen. Hollywood-Regisseur Michael Bay („Transformers") führt den Trick schon seit Jahren vor, und keiner fragt bei den Action-Szenen, wie die vier Sonnen ins Bild kommen. 17 auf der flucht 18 auf der flucht

Am Ende der Thailand-Sequenz kauert eine reichlich derangierte Esther Maaß im Terminal. Der Dreh im Flughafen war zwar angemeldet, um aber erneut gaffende Touristen zu vermeiden, drehten wir quasi aus der Hüfte ohne großes Aufsehen zu erregen. Im Hintergrund hält ein Produktionsassistent eine unserer LED-Lampen, was deutlich flexibler als ein Stativ-Einsatz ist, wenn man die Location in Windeseile wechseln muss.

 

Fotos: Steffen Hacker

 

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