Workshop: Einzelbildaufnahme
Die klassische Video-Einzelbildschaltung ist nämlich weitgehend aus den Camcordern entschwunden. Mit gutem Grund. Sie nutzen nämlich heutzutage die Fotofunktion des Camcordrs, um unbewegten Gegenständen Leben einzuhauchen. Jedenfalls ist das die simpelste und billigste Methode, wenn man nicht auf Spezialprogramme wie das Stop Motion Pro zurückgreifen möchte.
Wir haben das Prinzip einmal workshopartig durchexerziert: In unserem Beispiel steht eine junge Frau mit einer Erdbeere in den Händen in Ihrem Garten und behauptet vor laufender Kamera, Sie hätte herausgefunden, wohin denn die mühsam gezüchteten Beeren immer verschwinden. Sie legt die Frucht auf eine überwachsene Gartenbank und ohne erkennbaren Schnitt tauchen aus dem Gebüsch plötzlich eigenartige Stofftiere auf, die sich über die Beere hermachen und dann nach kurzem Kampf mit der Beute verschwinden. Diesen Kurzfilm, der ca. eine Stunde Arbeit erforderte, rief vor allem bei Kindern helle Begeisterung hervor. Hier die Schritte zum Erfolg.
1. Die Einstiegssequenz mit dem Originalton ist Realfilm, aufgezeichnet auf einen DV-Camcorder. Nach dem letzten Schwenk auf die Bank, wo die Tricksequenz stattfinden soll, wird die Kamera zementiert – das heißt, sie wird so fest auf dem Stativ verschraubt, dass Sie sich nicht mehr bewegen kann. Animationen gelingen nur, wenn die Kamera ruhig steht. Zooms sind zwar auch möglich, sollten aber lieber in beschränktem Umfang in der Nachbearbeitung stattfinden.
2. Die letzte Tätigkeit an der Kamera ist das Umstellen auf den Fotomodus – Eine Speicherkarte sollte schon vorher im Schacht liegen. Ab jetzt wird nur mehr per Fernbedienung die Fotofunktion ausgelöst. Die Fernbedienung ist einer der großen Vorteile gegenüber Kompaktfotoapparaten, denn jedes Bild direkt am Gerät auszulösen, ist zwar möglich, birgt aber die nicht unbeträchtliche Gefahr, dabei unabsichtlich den Bildausschnitt zu verändern.


3. 25 Bilder sind eine Sekunde Film, so die Theorie. Da der Kampf um die Erdbeere 15 Sekunden dauern sollte, wären 375 Fotos nötig, doch so fein muss es nicht sein. Es reicht die Hälfte oder ein Viertel. Wir haben so um die 100 Bilder gemacht. Das gleiche Bild wird dann eben zwei oder 4fach hintereinander gezeigt. Das Hirn verknüpft die Phasen noch immer zu einer ausreichend flüssigen Bewegung.
4. Bei normalem Standard-Video reicht eine Bildauflösung von 1 Megapixel bei weitem aus. Höhere Auflösungen kosten nur Speicherplatz. Da viele Camcorder keine 16:9-Fotos schießen, sollten sie dieses Bildformat meiden. Bei HD-Camcordern haben Sie ein Bildformat von 1920 x 1080. Bietet Ihnen der Camcorder eine Fotobreite von gleich oder größer 1920 Pixeln in der Breite an, dann können Sie loslegen, sollten aber beachten, das Sie wegen des 16:9-Formats bei HD-Video von den Standbildern später in der Höhe etwas Bildausschnitt einbüßen werden. Da müssen Sie eventuell ganz am Schluss einen leichten Schwarzbalken einblenden.
5. Beim Schießen auf Unachtsamkeiten achten: Ist nach jeder Bewegungsphase der Objekte, die zwischen den einzelnen Aufnahmen ja bewegt werden müssen, auch die Hand des Puppenspielers aus dem Bild. Bewegen sich Blätter oder Gegenstände (Fliegen) im Bild, die dort nichts zu suchen haben? Hat sich die Beleuchtung stark verändert? Im Zeitraffer später fallen derlei Dinge äußerst störend auf.
6. Die gesamte Fotoserie wird von der Karte zunächst in ein Verzeichnis des Rechners kopiert und von dort in die Materialsammlung (Projekt) eines Schnittprogrammes importiert. Wir haben Premiere Pro und Pinnacle Studio ausprobiert – in beiden Fällen gelang der Trickfilm spielend.
7. In Premiere ist vor dem Import der Bilderserie eine Voreinstellung zu treffen: In den Voreinstellungen unter Allgemein gibt es eine Justage der Einzelbildlänge. Je nachdem wie fein Sie gearbeitet haben, geben sie hier 1 – 4 ein. Bei Pinnacle können Sie die Framelänge auch nach dem Import im Bearbeiten-Fenster bei Dauer festlegen und per Copy und Paste auf alle anderen Clips übertragen.
8. Sie wollen die 100 oder mehr Einzelbilder in der richtigen Reihenfolge in die Timeline importieren, nämlich so wie Sie auch fotografiert haben. Damit das gelingt, müssen Sie in Premiere unter Umständen erst durch Klick auf Name im Projektfenster sortieren, bevor Sie das ganze Paket in die Timeline verfrachten.


9. Eigentlich können sie nun bereits ihren Film als Projekt in DV oder fürs Internet ausspielen wie jeden anderen Film auch, wenn wir nicht zwei Feinheiten eingebaut hätten: Erstens haben wir einen Realfilm-Teil, der dem Trickteil vorangestellt ist, der mit der gleichen Bildausschnitt endet. Am Übergang kommt es fast immer zu einem hässlichen Bildsprung. Er kommt daher, dass der Camcorder ungehörigerweise im Standbildmodus etwas weitwinkligere Bilder schießt als im Videomodus. Das heißt, Sie müssen alle Standbilder etwas croppen, also leicht einzoomen. In den Effekteinstellungen ist der Punkt Skalieren unter dem Überbegriff Bewegung bereits angelegt. Und sie können in Premiere direkt sehen, wie das Bild sich verändert. Haben Sie die passende Größe eingestellt, können sie die Effekteinstellung einfach kopieren und dann nach dem aktivieren aller Clips durch Attribute Einfügen, diese Effekteinstellung auf alle anderen Bilder anwenden.Sinngemäß gleich funktioniert das auch bei Pinnacle Studio.
10. Die Photos besitzen natürlich keine Soundkulisse, deshalb dürfen Sie nicht vergessen vor Ort bei der Aufnahme eine Nurton-Atmo-Aufnahme zu machen, die Sie als Basis für Ihre Nachvertonungskünste unter die Videospuren legen.
Das wars – Viel Spaß beim Tricksen.
(jos)
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