Foto-Film-Praxis: die Bildgestaltung
Viele Fotografen denken beim Film an viel Bewegung – dabei gilt es zuerst einmal, schöne ruhige Bilder zu machen. Die klassische Regel lautet: Bewegung findet im Bild statt, nicht mit der Kamera.
Die Motiv- und Perspektivsuche muss sich also gegenüber dem Fotografieren nicht wesentlich verändern. Größter Unterschied: Man muss die Kamera länger ruhig halten – im Idealfall also mehr vom Stativ arbeiten.
Schon wegen des fehlenden motorischen Zooms bei vielen Fotokameras machen Zoomfahrten im Film eigentlich keinen schönen Bildeindruck. Aber abgesehen davon ist ein Zoom allenfalls dann angebracht, wenn man ein Bild beziehungsweise eine Geschichte schnell „verdichten" und zum Beispiel aus einer Menschengruppe gezielt eine Person herausheben will. Möglich und letztendlich schöner ist dies aber über mehrere Einstellungen und Perspektivwechsel.
Auch Schwenken, egal ob horizontal oder vertikal, ist nur selten angebracht. Aber es gibt wie immer keine Regel ohne Ausnahme: Immer dann, wenn man einem Objekt folgt, ist eine Schwenkbewegung durchaus angebracht. Zudem haben sich die Sehgewohnheiten massiv verändert: Statt Schwenken und Zoomen ist nun selbst bei Reportagen die Verfolgung des Objekts „im Fliegen" mit der Kamera üblich.
Mit Fotokameras ist das allerdings nicht ganz so einfach, denn der auf Einzelbilder ausgelegte Autofokus ist meist zu nervös und schnell.Abhilfe schafft die Umschaltung auf manuelle Steuerung, wobei man sich dann von der geringen Schärfentiefe verabschieden und entsprechend eher eine kleinere Blende einstellen sollte.





Bei Tageslicht ist das unproblematisch – bei wenig Licht bedeutet dies, dass die ISOEmpfindlichkeit nach oben gehen muss, denn bei 50 Bildern in der Sekunde liegt die längste Belichtungszeit zwangsläufig bei 1/50 s. Doch das Verfolgen mit der Kamera ist aus der Hand genau genommen nie sauber hinzubekommen. Die Schritte beim Laufen wirken sich immer aufs Bild aus. Profis verwenden deshalb ein sogenanntes Schwebestativ, das über Federarme an einer Weste befestigt wird und – sanfte Schritte und viel Übung vorausgesetzt – die Kamera fliegen lässt.
Kompakte Systeme für spiegellose Systemkameras und kleinere DSLRs gibt es inzwischen für relativ wenig Geld (ab 50 Euro) – doch auch dazu benötigt man viel Übung, um ruhige Aufnahmen hinzubekommen. Deutlich einfacher ist dagegen die Handhabung eines sogenannten Gyropods.Hier werden die Bewegungen durch einen Sensor erkannt und motorisch ausgeglichen. So ein System lässt sich mit wenig Übung schnell in den Griff bekommen – ein gutes Beispiel dafür ist der Jobo Gyropod MD-1.
Bis zum Gewicht einer Panasonic G6 funktioniert er sehr gut und erlaubt so mehrere Perspektiven in einer Aufnahme. Dabei muss der Fotograf nun doch umdenken: Statt eine Geschichte in mehreren Einstellungen zu erzählen, soll nun also alles in eine Aufnahme passen. Der Vorteil: Die Geschichte wirkt „flüssiger" und vor allem: Sie ist deutlich schneller geschnitten, da eine Aufnahme gleich mehrere Einzeleinstellungen ersetzt.
Dennoch sollte man die fotografischen Stilmittel nie ganz über Bord werfen: Im Mittelpunkt der Bildgestaltung mit einer DSLR-Kamera steht die Schärfentiefe – aber nicht jede Aufnahmesituation eignet sich für das Spiel mit der Schärfe. Schwierig wird es beispielsweise bei viel Licht, denn man kann zwar die Belichtungszeit auch bei Videos verkürzen, doch darunter leidet die Darstellung von Bewegung.
Durch die verkürzte Belichtungszeit wird die Bewegung abgehackter und wirkt nicht mehr ganz flüssig. Diesen Effekt macht man sich bei schnellen Sportbewegungen zunutze, um noch ein scharfes Bild zu sehen – bei normaler Bewegung wirkt es allerdings merkwürdig.
Um die Blende bei viel Licht dennoch weit öffnen zu können, benötigt man deshalb ND-Filter (Graufilter). So lässt sich die Blende auch noch bei 1/50 s offen halten, und eine schöne Unschärfe im Hintergrund des Objekts entsteht. „Mit dem Auge filmen", das leuchtet ein, denn schließlich achtet man immer aufs Display oder schaut durch den Sucher. Doch wir meinen: Man sollte auch „mit dem Ohr filmen". Gemeint ist hinzuhören, wann es sinnvoll ist, zu starten und zu stoppen.
Nur einen Teil eines Satzes zu filmen, wird beim Schneiden erhebliche Probleme bereiten. Immer sinnvoll ist es, sich eine Geräuschkulisse, zum Beispiel von der Stadt (jede Stadt klingt anders) oder vom Strand mitzubringen. Vielleicht gibt es da auch gleich die passende Filmmusik. Und zu guter Letzt: Drehen Sie selbst den Spieß um und ändern Sie das, was Sie beim Schneiden am meisten ärgert. Wenn man sich nach jedem Schnitt überlegt, welche Fehler das Rohmaterial am häufigsten hatte, dann weiß man schon, was man das nächste Mal besser machen kann.
Auch interessant für Einsteiger: 10 Tipps: leichter Filmen, flotter Schneiden
Dies war der dritte Teil unseres Weihnachts-Spezials zum Thema "Filmen mit Digitalkameras". Die folgenden Tage präsentieren wir diese weiteren Kapitel zum Thema:
Teil 1: Bildfolge Teil 2: Filmerzubehör Teil 3: Bildgestaltung Teil 4: Import Teil 5: Geschichten erzählen Teil 6: Feinschnitt Teil 7: Ton und Mischung Teil 8: Bild- und Farbkorrektur Teil 9: Filmexport & Präsentation

Autor: |
Bildquellen: |
Weitere Praxis-Artikel

Praxistest: Datacolor LightColor Meter – mehr als ein Belichtungsmesser

Filmarena: Preiserhöhungen – unvermeidbar, aber unangenehm
