Workshop: Standardeffekte für die Filmbearbeitung
Weißabgleich und Hochkontrast – das sind zwei Filter, die heute im Videoschnitt wie der Fotobearbeitung oft eingesetzt werden. Ersterer sollte für jeden Filmemacher selbstverständlich sein: Er ist essenziell, damit ein Film auf gleicher farblicher Basis entsteht, denn unterschiedlich kolorierte Einstellungen in direkter Abfolge sind ein Graus. Der HDR-Effekt hingegen (auch Hochkontrast genannt) ist ein Stil-Filter, der zwar nicht Voraussetzung für das Gelingen eines Films ist, aber zur Zeit gewaltig im Trend liegt. Besonders in der Fotografie hat er sich in den letzten Jahren zu einem der beliebtesten Effekte gemausert. Er funktioniert aber auch bei der Videobearbeitung(vorausgesetzt, das Programm beherrscht ihn) und kann einem Film eine interessante und zugleich wesentlich intensivere Ausstrahlung verleihen: Die Videos werden so berechnet, dass in hellen wie dunklen Bereichen mehr Zeichnung entsteht – daher auch die Bezeichnung HDR für „High Dynamic Range" („Hochkontrast"). In diesem Schnitt-Workshop zeigen wir am praktischen Beispiel, wie man beide Filmtricks anwendet und was sie bringen. Als Software nutzen wir den ColorDirector von CyberLink, der einzeln oder im Bundle mit der DirectorSuite erhältlich ist. Die erklärten Effekte und Bedienwege lassen sich aber auch auf sehr viele andere Programme übertragen.
Weißabgleich
Filmszenen, die von unterschiedlichen Kameras stammen oder zu unterschiedlichen Tageszeiten aufgezeichnet wurden, machen eine Bildkorrektur unabdingbar. Natürlich sollte man bei mehreren Kameras bereits vor der Aufnahme einen korrekten Weißabgleich vornehmen, doch selbst dann ist das Weiß in der Regel nicht identisch: Mit dem Weißabgleich legt man fest, wie jede Kamera das Weiß im Bild definiert. Das hat zwangsläufig mit der Lichthelligkeit- und -stimmung zu tun, und dieser Wert wird von verschiedenen Faktoren, wie Tageszeit, Wetter, Jahreszeit sowie Kunstoder Tageslicht beeinflusst. Sonnenlicht etwa wirkt früh morgens deutlich kälter als abends. Der Mensch nimmt das nur als Lichtstimmung wahr, weil das Gehirn ein „richtiges" Weiß stets automatisch definiert. Bei der Kamera geht das nicht, hier muss man die richtige Definition der Farben manuell einstellen.

Gut wirkt ein Film, wenn die Bilder eine einheitliche Gestaltungssprache haben. Für den einheitlichen Look empfiehlt sich deshalb ein Weißabgleich – und der HDR-Effekt.
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Ein einfaches Beispiel: Beim Skiausflug wird vormittags gefilmt, bei strahlenden Sonnenschein und Schnee liegt die Lichttemperatur etwa bei 10 000 Kelvin. Das ist sehr hell und liefert in der Regel ein eher bläuliches Licht, auch aufgrund des reflektierenden Schnees. Im Anschluss sollen beim Après-Ski in der Berghütte weitere Aufnahmen entstehen. Hier herrscht aber Kunstlicht und das ist mit rund 3200 Kelvin deutlich „wärmer", hat also einen höheren Rotanteil. Stellt der Camcorder den Weißabgleich automatisch ein, dauert das einige Sekunden, bis er diesen fixiert.
Die Aufnahme wird dadurch in der Regel nicht zu gebrauchen sein. Besser ist, die Einstellung manuell vorzunehmen und mit dem Camcorder etwa ein weißes Blatt Papierabzufilmen, um ein neutrales Weiß zu erhalten. Trotzdem wird der Zuschauer den Wechsel zwischen morgendlicher Frühsonne und abendlicher, schummriger Hüttenromantik bemerken. Das mag zum Teil gewollt sein, ist aber nur bei bewussten Szenenwechseln sinnvoll. Werden nur einzelne Einstellungen aneinander geschnitten, wirkt es allemal besser, wenn man sie etwas angleicht. Und dabei gilt: Wenn man einen Clip nachbearbeitet, muss man meist auch die restlichen anpassen. Ein einheitlicher „Filmlook" ist immer besser als einzelne hervorstechende Clips. Mit dem ColorDirector hat CyberLink eine eigene Software im Programm, mit der sich detaillierte Farbanpassungen vornehmen lassen.
Dafür importiert man einfach die gewünschten Clips in die Medienbibliothek. Wichtig: Verwendet man 50p-Videomaterial, muss man die Projekteinstellungen über das kleine Zahnrad-Symbol in der Menüleiste anpassen, sonst läuft die Vorschau nicht richtig flüssig. Damit man die Clips korrigieren kann, ist ein Wechsel auf den Reiter „Anpassung" unter dem Hauptmenü nötig. Das Programm zeigt dann alle einstellbaren Werte, unter „Allgemeine Anpassung" erscheint der Weißabgleich gleich als erstes. Man kann auch vom Programm zur Verfügung gestellte Vorgaben wählen, etwa um einen bestimmten Filmlook im Retro- oder Sepia-Stil zu erzeugen. Wir konzentrieren uns aber auf den Weißabgleich.
Die Korrektur funktioniert denkbar einfach: Über die Pipette links wählt man einen Bereich im Videobild, der eigentlich grau dargestellt werden sollte. In unserem Beispiel ein dunkelgrauer Wolkenfetzen imHimmel. Daraufhin passt das Programm die Farbwerte automatisch an und macht aus den sehr blau wirkenden Wolken des Originals weiß ausschauende Wolkenfetzen mit leicht blauem Himmel im Hintergrund – genau so, wie es sein sollte.
Der Unterschied ist deutlich zu erkennen und ergibt ein besseres Bild mit korrekten Farben. Anschließend kann man noch dezent manuelle Verbesserungen am Tonwert für helle, mittlere und dunkle Bildberreiche vornehmen und ein zu dunkel wirkendes Bild etwas aufhellen und etwas mehr Sättigung ins Spiel bringen.
Über die „Erstellen"-Schaltfläche links unten lassen sich die Einstellungen als Vorlage speichern und ganz simpel auf alle weiteren Filmschnipsel in der Zeitleiste übernehmen. Fertig ist der farbkorrigierte Clip!
Die Auswirkungen des HDR-Effekts sind deutlich: Das Bild wirkt insgesamt heller und plastischer, da der Kontrast an den Kanten erheblich stärker betont wird. Außerdem entsteht beim Betrachter der Eindruck eines schärferen Bildes (rechts). Teilweise wirkt die Szenerie wie gezeichnet.

HDR-Effekt
Der Hochkontrast-Effekt kommt aus der Fotografie. Für einen „echten" HDR-Effekt benötigt man eigentlich mindestens drei unterschiedlich belichtete Aufnahmen: eine etwas über-, eine leicht unter- und eine korrekt belichtete. Die beiden „Fehlbelichtungen" haben den Zweck, in hellen (unterbelichtete Aufnahme) und dunklen Bereichen (überbelichtete Aufnahme) für eine Zeichnung, sprich Kontrast zu sorgen. Dank der RAW-Fotos ist das inzwischen auch mit einer Aufnahme und unterschiedlichen RAW-Entwicklungen möglich. Eben deshalb ist der Effekt auch in den professionellen Videobereich „herübergeschwappt", anfangs in erster Linie für Profikameras mit RAW-Aufzeichnung. Doch auch in der Fotografie gibt es inzwischen „Pseudo-HDR-Effekte", die ausJPEG-Bildern mehr Kontrastumfang heraus kitzeln. Diese Funktion ist nun bei den engagierten Amateurprogrammen angekommen und somit für jeden Filmer ein machbarer Filmtrick.
Bedingung ist, dass das Korrekturprogramm in hellen und dunklen Bildbereichen mit einer Übersteuerung noch Zeichnung sichtbar machen kann. Im Gegensatz zum simplen Anheben des Kontrasts verschwinden hier nicht feine Details im Bild, sondern werden sogar betont. Der ColorDirector bietet dafür eine eigene Effekt- Kategorie namens „HDR-Effekt" direkt unter dem Tonwert. Hier ist standardmäßig ein Häkchen gesetzt, was bedeutet, dass unsere Anpassungen gleich zu sehen sind. Damit man das Resultat besser mit dem Original vergleichen kann, empfiehlt sich die „Vorher-Nachher-Vorschau", mit der man einen guten Überblick über die vorgenommenen Änderungen erhält.
Der ColorDirector lässt „Schein" sowie „Kante" separat einstellen, mit jeweils drei Unterparametern für Stärke, Radius und Balance. Die sind selbsterklärend: Stärke beeinflusst die Intensität, Radius das Ausmaß und Balance das Verhältnis zwischen hellen und dunklen Lichtbereichen. Mit „Schein" simuliert man die sofort sichtbaren Auswirkungen eines HDR-Effekts. Das Bild wird insgesamt heller und wirkt auch an dunklen Stellen besser belichtet, es wird mehr Zeichnung dargestellt, je nachdem, wie weit man die „Stärke" aufdreht.
Wirkt ein HDR-Effekt richtig, sehen manche Standbilder wie gemalt aus. Im Bewegtbild ist der Effekt nicht ganz so intensiv, je nachdem, wie das Rohmaterial ausfällt. Über den Parameter „Kante" nimmt man letztlich Einfluss auf die Schärfe und den plastischen Effekt des Bildes, da man die Kanten künstlich betont. HDR-Bilder wirken in der Regel sehr scharf, da die Kanten deutlich intensiver dargestellt werden. Mit Hilfe des Balance- Reglers kann man dabei helle Teilbe-reiche (Regler nach rechts) sowie dunklere, also die Tiefen (Regler nach links), gezielt beeinflussen.
Im ColorDirector erreicht man damit in der Regel ein gutes Ergebnis, trotzdem ist (wie bei jedem Programm) etwas Experimentieren angesagt, bis das Bild den eigenen Vorstellungen entspricht. Zum Schluss kann man die Szene in den PowerDirector übertragen und dort in den Film integrieren oder weiter bearbeiten.
(pmo)
Der Balance-Regler des HDR-Effekts im ColorDirector mit differenzierten Einstellungen für Schein (2) und Kante (3) macht einen großen Unterschied: Schiebt man ihn ganz nach rechts, werden die tiefen Töne im Bild stärker betont (unten). Zieht man ihn nach links, steigert das Programm die hellen Anteile (oben).
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