Filmwerkstatt: Croppen
Sie ermöglicht Bildausschnitte aus vorhandenen Videoszenen. Dezent eingesetzt, kann diese Funktion die Ästhetik des Videos deutlich erhöhen.
Beispiel 1
Im kleinen Camcorder-Display erkennen Sie während der Aufnahme manch hässliches Detail in den Randbereichen des Hauptmotivs nicht. Entweder Sie übersehen es, oder der Makel erscheint unbedeutend – bis er am großen Fernsehschirm unangenehm auffällt. Unschöne Details, überraschend im Randbereich auftauchende Personen oder das berühmtberüchtigte Mikrofon, das von oben ins Bild hängt, können aber die ganze Bildkomposition zerstören. Im Schnitt lässt sich das heute jedoch leicht reparieren. Crop-Funktion aufrufen und das Bild um ein paar Prozent vergrößern: schon sind die hässlichen Randbereiche verschwunden. Dieses nachträgliche Digitalzoom hat allerdings enge Grenzen.


Da die Elektronik nicht auf einen Pixelüberschuss zurückgreifen kann, muss sie Pixel hinzuerfinden, was die Bildqualität verschlechtert. Endlose künstliche Zoomfahrten sind nicht möglich. Bei 20 Prozent Vergrößerung fällt selbst dem unaufmerksamen Zuschauer der Qualitätsverlust auf. Dennoch: Für Reparaturen und ästhetische Schnittübergänge nimmt man im Zweifelsfall auch eine kurze Vergrößerung über diesen Wert hinaus in Kauf.
Beispiel 2
Der missglückte Stopptrick: Eine Person betritt ein Haus im Badeanzug und kommt wenige Sekunden später in voller Tauchermontur wieder heraus. Dummerweise hat sich zwischen Ausschalten der Kamera und erneutem Einschalten der Bildausschnitt um einen Hauch nach unten versetzt: Das Stativ war nicht hundertprozentig arretiert, die Kamera ist leicht abgekippt. Der Zusammenschnitt zeigt einen deutlichen Ruck. Zur Reparatur sind beide Szenen leicht zu croppen; die zweite verschiebt man danach so, dass die Bildelemente wieder übereinander liegen – was je nach Schnittprogramm etwas Fummelarbeit bedeutet –, und die Verwandlung sitzt.
Beispiel 3
Der Match Cut: So nennt man einen Umschnitt oder eine Überblendung, bei der sich zwei ähnliche Formen überlagern. Das sieht meist edel und harmonisch aus, und der Zuschauer nimmt es dankbar zu Kenntnis. Beispiel: Sie wollen von Ihren zum Abschied winkenden Familienmitgliedern direkt in die Freiheitsstatue schneiden, die den Arm genauso hebt. Leider sind die beiden Figuren unterschiedlich groß aufgenommen. Sie ahnen es schon: Cropping macht’s möglich. Noch besser: Wenn Sie beim Sonnenuntergang am Meer die Kamera schräg aufgestellt haben, sodass das Wasser auf der einen Bildseite hinausläuft – das Bild lässt sich in vielen Crop-Funktionen auch leicht drehen. Beim Drehen müssen Sie es ebenfalls leicht beschneiden, da man in den Eckbereichen sonst den Szenenhintergrund sieht.


Dynamisch croppen
Bei den meisten Schnittprogrammen können Sie auch dynamisch croppen. Setzen Sie einen Ankerpunkt, dann beginnt die Beschneidung am vorbestimmten Größenpunkt X und wandert automatisch zum Endpunkt Y, also etwa wieder zur Originalgröße. Verbunden mit einer Positionierung des Bildausschnitts lassen sich so nachträgliche Zoomfahrten realisieren. Bei klassischer SD-Auflösung ist da nicht viel Spielraum; in einem HDV-Bild hingegen haben Sie viel Platz zum Zoomen – vorausgesetzt, Ihre Schnitt-Software unterstützt HDV. Zum Mitrechnen: Sie brauchen nur ein Viertel der vorhandenen Bildinformation, um immer noch ein voll auflösendes PAL-Bild für die Ausgabe zu generieren. Anders: Wer in HDV filmt, seinen Film aber in SD schneidet, der kann vierfach ins Bild zoomen, ohne Qualität zu verlieren. Das schafft viele kreative Möglichkeiten.
Beschnittform
Die Beschnittform ist in der Regel rechteckig, aber nicht zwangsläufig 4:3. Jedes Format wird akzeptiert. Das „gecroppte” Bild erhält automatisch einen schwarzen Hintergrund. Legen Sie es als zweite Videospur über eine Hintergrundspur, erscheint die gecroppte Szene von selbst vor diesem Hintergrund. Sie haben so einen individuelles „Bild-im-Bild” („Picture-in-Picture”; PiP) erstellt und sind nicht mehr auf vorgefertigte Formen aus dem Effektangebot Ihres Schnittprogramms angewiesen. Generell gibt es zwei Möglichkeiten des Croppings: Sie beschneiden tatsächlich die Bildinformation, oder Sie verkleinern nur das Format, das Gesamtbild bleibt jedoch in verkleinerter Form erhalten. Für PiP-Compositings verwendet man meist die letztere Version. Cropping spielt im Zeitalter der Präsentation per Rechner eine wichtige Rolle. DVD-Abspiel- Software zeigt Ihren Film in einem frei definierbaren Fenster und im Gegensatz zum Fernseher in voller Größe bis zum äußersten Pixel. Der TV-Bildschirm hat einen so genannten Cache, der die äußersten Pixel, die auch während der Aufnahme am Display nicht zu sehen waren, verdeckt. Wer also für die DVD-Wiedergabe am Rechner produziert, der sieht mehr, als er sich eigentlich wünscht. Zum Beispiel eine grüne Fehlzeile am oberen Bildrand.


Der Wermutstropfen
Nur professionelle DVD-Authoring Programme können vor dem MPEG-Encoding croppen. Allen anderen bleibt nur die Möglichkeit, diese leichte Vergrößerung als Schlusseffekt über die gesamte Videospur des Schnitts anzuwenden. Achten Sie darauf, dass Sie von Ihrer Einstellung einen Preset anlegen können, sodass automatisch immer um den einmal eingestellten Wert vergrößert wird. Andernfalls wird das Einsetzen des Effekts womöglich zum Geduldsspiel. Geduld brauchen Sie ohnehin, bis der Effekt berechnet ist, denn Cropping frisst ordentlich Prozessorleistung.
(mb)
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