Ratgeber mit Praxistipps: Tonaufnahmen mit 32 Bit – Pegeln war gestern
RATGEBER: 32 Bit-Audio - Technologie richtig erklärt
Jahrzehntelang galt die Regel: erst pegeln, dann aufnehmen! Hat man das Aufnahmegerät nicht an die Lautstärke angepasst, ist schnell das Material ganzer Drehs unbrauchbar, weil der Ton übersteuert oder im Rauschen versinkt. Ein Super-GAU, denn ist das Material einmal unbrauchbar helfen keine Restaurations-Plugins oder Künstliche Intelligenz, um noch eine sendefähige Qualität zu erreichen. Mit 32 Bit-Technologie sollen derartige Probleme jedoch der Vergangenheit angehören. Manche Hersteller wie beispielsweise Zoom versprechen sogar, dass Pegeln ab sofort der Vergangenheit angehöre. Klingt nach aufgeblasenen Werbeversprechungen, stimmt aber im Regelfall tatsächlich. Warum das so ist und warum wir uns trotzdem noch Pegelmöglichkeiten am Gerät wünschen, erklären wir im Video und hier im Artikel.
Jonas Schupp beleuchtet die 32-Bit Float Aufzeichnung nicht nur theoretisch, sondern zeigt an realen Anwendungsfällen, was man aus diesen Aufnahmen rausholen kann.
ABTASTRATE
Um zu verstehen, wie 32 Bit-Technologie funktioniert, müssen wir uns zuerst vor Augen führen wie die Umwandlung eines analogen in ein digitales Signal funktioniert. Dazu sind zwei Größen relevant: zum einen die Abtastrate und zum anderen die Bittiefe. Die Abtastrate gibt an, wie oft das Signal pro Sekunde erfasst wird. Der Studiostandard beträgt dabei 48 Kilohertz, womit ein Signal mitsamt Obertönen über das gesamte hörbare Frequenzspektrum von 20 Hertz bis 20 Kilohertz akkurat abgedeckt wird. Mit Abtastraten von heutzutage bis zu 192 kHz können selbst Tonmeister und Profi-Musiker keinen Unterschied mehr zwischen einem analogen und digitalem Signal feststellen.

Im Bereich der Abtastrate, auch Samplingrate genannt, sind schon länger höhere Werte als der Studiostandard 48 kHz auswählbar. Nützlich ist das beispielsweise bei Instrumenten mit sehr hohen Frequenzen und Obertönen.
BITTIEFE
Die Bittiefe sagt aus, wie viele Bits für die Digitalisierung zur Verfügung stehen. Ein Bit kann dabei zwei Werte haben: an und aus. Zwei Bit dann derer vier: aus/aus, an/aus, aus/an und an/an. Mit 24 Bit, dem Studiostandard, reicht die Bittiefe für professionelle Anwendungen vollkommen aus. Bei 32 Bit müsste dann das Signal dann mit eben 32 Bit digitalisiert werden, oder? Nicht ganz! Hinter 32 Bit oder genauer gesagt 32 Bit Gleitkomma (Floating) verbirgt sich grob gesagt eine 24 Bit-Skala, die sich jedoch an den Signalpegel anpasst und so sowohl laute als auch leise Signale gleichermaßen genau auflöst. So soll bei leisen Tönen genug Rauschabstand gewährleistet sein, während laute Töne nicht übersteuern - besagt zumindest die Theorie.

Wie in der Skizze erkennbar, verbirgt sich hinter 32 Bit-Technologie eine anpassbare 24 Bit-Skala. Dadurch ist in allen drei Positionen gewährleistet, dass das gewandelte Digitalsignal genug Abstand zum Grundrauschen und Übersteuerung hat.
PRAXIS
Was bedeutet das in der Praxis? Das erfuhren wir während mehrerer Veranstaltungen, deren Ton wir mittels Zooms Hessential-Feldrecordern und dem M3 Mictrak, einem Stereo-Shotgunmikrofon mit eingebauten Rekorder, ebenfalls von Zoom, aufnahmen. Jedes dieser Geräte zeichnet intern mit 32 Bit auf. Während des Tests kam es sowohl zu sehr leisen Pegeln als auch zu so lauten. Letztere zeigte unser Schnittprogramm als übersteuert an. Doch als wir die vermeintlichen Übersteuerungen leiser regelten, offenbarte sich die Aufnahme so dynamisch, als wäre sie bei geringerer Lautstärke aufgenommen worden. Auch Aufnahmen, die im Schnittprogramm schon so aussahen, als wären sie viel zu leise, um noch rauschfrei verwendbar zu sein, entpuppten sich lauter gepegelt als perfekt sendefähig.

Um zum trockenen Ton des Bühnenmischers den Raumanteil zumischen zu können und den Ton somit lebendiger zu machen, kam das Zoom M3 MicTrak während einer Theateraufzeichnung auf der Hauptkamera zum Einsatz.
ANWENDUNGSZWECK
Das qualifiziert die Audiogeräte als rundum-sorglos-Paket vor allem für EB-Anwendungen, wenn es schnell gehen muss und man sich schnell an die Drehumgebung gewöhnen muss. 32 Bit-Aufnahmen geben dabei die Sicherheit, immer gute, dynamische Aufnahmen machen zu können. Wir nutzten beispielsweise das M3 MicTrak bei einer Theateraufzeichnung als Raummikrofon, um dem sauberen, jedoch trockenen Mixsignal mehr Lebendigkeit und Dynamik zu geben. Die Schwierigkeit in diesem als eine Art Musical ausgelegten Theaterstück lag darin, dass sich leise Dialogpassagen und laute Musikstücke abwechselten und natürlich gleichermaßen aufgezeichnet werden sollen. Der interne Rekorder des Mikrofons schaffte diese Aufgabe mit Bravour – und das ohne vorherige Pegelung!

Das M3 MicTrak ist ein Stereo-Shotgunmikrofon und als solches eine ideale Aufrüstung für Digitalkameras. Ein ausführlicher Test zu diesem Mikrofon folgt.
IST PEGELN JETZT VERGANGENHEIT?
Natürlich kann das Signal trotzdem noch übersteuern. Das liegt dann jedoch nicht mehr an der digitalen Technik, sondern an der Lautstärken-Toleranzgrenze der jeweiligen Mikrofone, dem Schalldruckpegel. Hier hilft es, sich vorher über den Schalldruckpegel der verwendeten Mikrofone zu informieren. Und auch wenn eine Pegelung bei 32-Bit-Aufnahmen nicht mehr notwendig ist, wünschen wir uns trotzdem eine Pegelmöglichkeit im Gerät selbst. Denn in den allermeisten Fällen schleifen wir das Signal aus dem Rekorder direkt in die Kamera durch und haben so einen guten Ton direkt in der Kamera sowie die zusätzlicher Sicherheitsaufnahme im Rekorder. Klammert man die Lumix GH7 aus, nehmen Kameras hingegen noch in 24 Bit auf und sind dementsprechend von guter Aussteuerung abhängig.
FAZIT
Guckt man auf den Audiomarkt, sind Produkte mit 32 Bit-Technologie derzeit noch Mangelware. Neben Tascam, die mit den Portacapture-Feldrekordern den Grundstein für 32 Bit-Aufnahmen legten, ist es vor allem Zoom, die mit der genannten Hessential-Serie und dem M3 Mictrak auch Preis-Leistungstechnisch vorne mitspielen. Man kann davon ausgehen, dass mehr Hersteller nachziehen und sich der Markt in der Folge verbreitert. Im Videobereich steht Panasonics Kombination aus GH7 und XLR 2-Adapter aktuell allein da, doch auch hier kann man davon ausgehen, dass mehr und mehr Hersteller auf den 32 Bit-Zug aufspringen werden. Denn Aufnahmen in 32 Bit bringen nur Vorteile: Laien müssen sich keine Gedanken mehr um Aussteuerung, Übersteuerung und Rauschabstand machen, während Profis die Sicherheit zu schätzen wissen, dass die Aufnahme in jedem Fall sendefähig ist – zumindest, was die Dynamik betrifft.
Autor: Jonas Schupp / Bilder: Joachim Sauer, Jonas Schupp MEDIENBUREAU
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