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Workshop: einfach richtige Farben mit korrektem Weißabgleich

Es wäre ja so einfach: Jede Kamera beherrscht den automatischen Weißabgleich und schon zeigt die Kamera immer ein reines Weiß und passende Farben. Weit gefehlt, denn der automatische Weißabgleich verändert gerade beim häufig vorhandenen Mischlicht immer wieder den Weißwert.


VA praxis logo 50px Workshop: korrekte Farben dank Weißabgleich

Was dabei rauskommt ist ein scheinbar korrektes Video. Dich da sich der Weißwert innerhalb des Clips verändert, lässt sich hier genaugenommen kein Color Grading durchführen. Entsprechend ist der manuelle Weißabgleich, oder aber zumindest zuvor ausgewähltes passendes Presset die Basis für das Filmen mit LUT oder als RAW-Datei. Deshalb liefern alle Kameras neben dem kontinuierlichen und manuellen Weißabgleich bereits voreingestellte Farbwerte für Tageslicht (5600 Kelvin) und Kunstlicht (3200 Kelvin) – und meinst noch einige Werte dazwischen, zum Beispiel für Neonbeleuchtung, die meist zwischen den zwei genannten Werten liegt.

Joachim Sauer erklärt aus der Praxis, warum der Weißabgleich wichtig ist und zeigt anhand von Praxisbeispielen, welche Probleme sich durch den automatischen Weißablgeich ergeben und wie er in Reportagesituationen mit dem Weißabgleich umgeht. Wir freuen uns, wenn Ihr an unserer Umfrage zum Thema Weißabgleich teilnehmt.

Grundlagen für den WeißabgleichWeiß ist niemals gleich Weiß, sondern reflektiert die Farbe des Umgebungslichts. Dass sich die Farbe verändert und Kustlicht eher rötlich, Tageslicht dagegen eher neutral und vom Schnee reflektiertes Mittagslicht bläulich wirkt sollte jeder schon wahrgenommen haben und die Abendsonne verbindet unser Gehirn schon automatisch mit roter Lichtstimmung. Dennoch gleicht unser Gehirn eben auch vieles aus, so dass wir weiße Flächen auch immer als solche erkennen, egal wie sie vom Umgebungslicht angestrahlt werden. Genau diesen Ausgleich beherrscht die Kamera nicht – sie muss also vorher auf das Umgebungslicht „eingemessen“ werden. Genau dies macht man mit dem manuellen Weißabgleich. Idealerweise hat man dafür eine Neutralgrau-Karte, die neutral reflektiert und damit die passende Basis für das Umgebungslicht bietet. Zur Not geht das auch mit einem weißen Blatt Papier oder eben einer weißen Wand – immer vorausgesetzt man weiß, dass die Wand auch wirklich weiß und nicht gar ein bisschen farblich getönt ist.

SpyderCheckrVideo Graukarte

Datacolor bietet in seinem SpyderCheckrVideo auch eine Karte für den Weißabgleich – idealerweise nimmt man dann auch die Farbkarte auf, mit der sich im Color Grading noch besser arbeiten lässt. Wie das geht erklären wir hier.

Bedienung des WeißabgleichsEs gibt schon einen Grund, warum nahezu jede Kamera eine Direkttaste zum Weißabgleich (WB für White Balance) hat. Doch gerade weil beim Fotografieren der Weißabgleich weniger wichtig und der automatische Weißabgleich durchaus ein probates Mittel ist, fehlt eben im Gegensatz zu alten Camcorder-Bedienkonzepten die Taste für den manuellen Weißabgleich. Statt dessen muss man über die WB-Taste das Weißabgleichmenü aufrufen, hier einen der meist mehreren manuellen Weißabgleich-Speicher auswahlen und dann dem Menü folgend einen Weißabgleich durchführen. Das klappt meist mit wenigen Klicks des Wahlhebels, aber bei manchen Modellen fordert dies auch das Betätigen des Auslösers. Im Idealfall schaut man sich also bei Reportagen vorher die verschiedenen Lichtsituationen an und erstellt für jeden relevanten Schauplatz einen eigenen Weißabgleich. So kann man später schnell zwischen den vorher gemachten manuellen Weißabgleich-Speichern wechseln.


Ab und zu dann doch PresetsSo gerne ich meist viel früher schon vor Ort bin und die Bedingungen erkunde – nicht immer ist die Zeit dafür vorhanden. So steigt zum Beispiel wenn man rund um politische Prominenz arbeitet, das Risiko, dass vorher festgelegte Abläufe spontan nicht mehr stimmen. Entsprechend muss man also auch damit rechnen, dass man auf Bedingungen stößt, für die man im Vorhinen keinen manuellen Weißabgleich gemacht hat. Wenn es schnell gehen muss, erst noch einen Weißabgleich mit Graukarte zu machen funktioniert in aller Regel nicht – und welche Wand nun wirklich Weiß ist, ist auch nicht so klar. Hier bleibt dann nur noch der Rückgriff auf den automatischen Weißabgleich? Schließlich bleibt der automatisch zum Anfang der Aufnahme festgelegte Kelvinwert gleich, solange man nicht auf AWBc (Automatic White Balance continuous). Das ist ein Weg, aber aus unserer Erfahrung nicht der Beste.

Workshop Weissabgleich Medienbureauc 1064395

Kompaktkameras wie hier die Fujifilm X-H2s offerieren eigene Weißabgleich-Menüs. Hier findet man auch Voreinstellungen für diverse Lichtsituationen.

Der Haken daran ist: Mit jeder Aufnahme kann die Kamera den Kelvinwert wechseln und damit ist jeder Clip in der Nachbearbeitung einzeln zu behandeln, damit am Ende alle Aufnahmen wie aus einem Guss aussehen. Gerade bei schnellen „Geschichten“ verursacht das einen Mehraufwand, der sich kaum lohnt. Entsprechend greifen wir hier lieber auf passende Presets zurück. Auch wenn diese zwangsläufig um einige hundert  Kelvin mal nicht stimmen – so sind wenigstens alle gleichmäßig daneben und der Weißwert lässt sich dank LUT durchaus um mehrere hundert Kelvin korrigieren. Letztlich führt das unserer Erfahrung nach schneller zu den besseren Ergebnissen.

Workshop Weissabgleich Medienbureauc 1064398

Im Weißabgleich lässt sich der Weißabgleich auch manuell per Regler genau festlegen. Manche Hersteller wie hier Panasonic bieten gleich mehrere Benutzerpresets, die man frei mit Farbtemperaturen belegen kann.

Die AlternativeWer viel mit dem Weißabgleich gearbeitet hat und sich dabei immer wieder die Kelvinwerte anschaut, bekommt auf Dauer einen recht guten Blick dafür, welchen Kelvinwert man in etwa derzeit hat. Zugegeben, das ist bei Mischlicht eher schwer, bei reiner Kunstlichtbeleuchtung und auch bei Tageslicht durchaus machbar. So landet man oft auf einem genaueren Wert als einfach ein Preset zu wählen. Viele Kameras haben hierfür im WB-Menü einen eigenen Einstellpunkt, in dem man den Kelvinwert direkt einstellen kann.

 

FAZIT

Joachim Sauer VIDEOAKTIV AutorDer automatische Weißabgleich ist in den letzten Jahren tatsächlich immer besser geworden und hat dafür gesorgt, dass viele sich auf ihn verlassen. Entsprechend verstecken die Kamerahersteller den lästigen manuellen Weißabgleich in einem Untermenü – so dass dieser kaum noch beachtet wird. Doch wer sich die Mühe macht mit LUT zu filmen oder gar den Speicherplatz in die RAW-Aufzeichnung investiert, der kommt um den Schritt eines manuellen Weißabgleichs nicht herum. Denn erst wenn dieser Wert stimmt, macht das Color Grading in der Nachbearbeitung Sinn. Ansonsten kann man auch weiterhin die Farbhoheit der Kamera überlassen.

 

Autor: Joachim Sauer / Bilder: Joachim Sauer, Jonas Schupp MEDIENBUREAU

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