Rollei Easy Traveller Carbon: Reisestativ mit innovativem Konzept
Klar gibt es Video-Reisestative – zumindest, wenn man den Herstellern glauben darf. Schaut man genauer hin, sind die meisten jedoch Fotostative: Essenzielle Funktionen wie Nivellierung oder Neige- und Schwenkwiderstand? Fehlanzeige. Mit Kugelkopf-Varianten sind zwar einfache Nivellierung und je nach Konstruktion auch horizontale, nicht aber vertikale Schwenks möglich. Wir wollen nun nicht behaupten, dass Rollei das Rad neu erfunden hat – schließlich gibt es das Manfrotto Befree Live Carbon Kit Twist, das bei uns schon einige Jahre im Einsatz ist. Allerdings liegt das preislich über dem Easy Traveller Carbon Videostativ – zumindest laut Listenpreis. In der Realität findet man es ebenfalls für 249 Euro bei einschlägigen Foto-Versandhändlern. Damit haben wir schon mal definiert, womit sich das mit neckischen roten Zierelementen versehene Rollei-Stativ messen muss.
Ein Reisestativ als Profiwerkzeug? Was das Easy Traveller Carbon Video so besonders macht und für wen das Stativ geeignet ist, zeigt Euch Joachim Sauer hier im Video.
Aufbau
Wie es sich für ein Reisestativ gehört, ist das Easy Traveller schnell aufgebaut: Die vier ausziehbaren Carbonelemente der Stützen gleiten schnell auseinander und werden von den Schnellverschlüssen zuverlässig fixiert – mit einer Ausnahme, dazu jedoch später mehr im Abschnitt "Bedienung". Mit der ausziehbaren Mittelstütze erreicht man so eine maximale Höhe von 164 Zentimetern. Das sind immerhin 15 Zentimeter mehr als es das Manfrotto Pendant kann und das macht tatsächlich nicht nur bei großgewachsenen Kameraleuten, sondern auch bei entsprechenden Protagonisten einen deutlichen Unterschied. Wer auf die Mittelsäule verzichtet erreicht eine Einsatzhöhe mit 137 Zentimetern. Mit 1,34 Kilogramm wiegt das Rollei-Stativ nahezu gleich wenig wie die das Manfrotto. Das ist für die Reise super – für stabile Schwenks eher weniger. Daran hat auch Rollei gedacht und der Mittelsäule einen Haken spendiert, an den Gewichte wie beispielsweise der Reiserucksack gehängt werden können. Der Haken ist abschraubbar und offenbart am anderen Ende eine Smartphone-Halterung. So sind entweder stabilisierte Smartphone-Aufnahmen möglich oder die Verwendung des Handys als Regiemonitor über eines der zwei 1/4-Zoll-Gewinde an der Stativschulter und einen optionalen Flex-Arm. Dieses durchaus geschickte Gimmick hat Manfrotto nicht zu bieten. Wer will, kann das Easy Traveller auch als Einbeinstativ verwenden: Das Stativbein, auf welchem der Gummiüberzug mit dem Herstellerlogo sitzt, ist ebenso wie der untere Teil der Mittelsäule abschraubbar. Dann sind Höhen von bis zu 175 Zentimetern möglich.

Der Stativkompf ist kompakt und trotzdem mit allen wichtigen Reglern ausgestattet, auch eine Libelle hat einen Platz gefunden. Leider ist sie nur von oben einsehbar.
Auf dem Kugelkopf sitzt der Videoneiger, welcher auf sehr kompakter Fläche einen Schnellverschluss für die Nivellierung sowie Schrauben für die horizontale und vertikale Ebene unterbringt. Auch eine Libelle hat Platz gefunden, die leider nur von oben einsehbar ist. Zu kurz geraten ist der Schwenkarm mit maximal 24 Zentimetern. Da gefällt uns der ebenfalls kurze, aber immerhin bessere Arm am Manfrotto-Neiger besser. Als Stativplatte verwendet Rollei das altbewährte Arca-Swiss-System, leider aber ohne einschnappende Sicherung beim Aufsetzen. Auch hier hat Manfrotto mit dem dem eigenen Klick-System die Nase vorn. Immerhin verhindern zwei kleine Stifte an der Rollei Stativplatte, dass die Kamera zu Boden fällt, sollte sie einmal nur schlecht fixiert sein. Wer empfindliche Schäden vermeiden möchte, sollte trotzdem daran denken, die Kamera sofort nach dem Aufsetzen zu fixieren.

Für die schnelle Montage hat Rollei der Stativplatte eine Lasche spendiert. Sicherer ist man aber mit einem Inbusschlüssel.
Bedienung und Fazit
Mit seinen kompakten Abmessungen findet das Rollei auch im kleinsten Drehbesteck noch einen Platz. Das geringe Gewicht erfordert allerdings in der Praxis den Einsatz von Gewichten, sonst bietet das Stativ nicht ausreichend Widerstand für sanfte Schwenks. Aber in diesem Konflikt ist man bei jedem leichten Reisestativ. Vor allem unebene Untergründe sind nicht die Stärke des Easy Travellers, wobei es unter den abziehbaren Gummifüßen immerhin Spikes bereithält. Schwachstelle des Stativs sind die zweituntersten Teilstücke der Carbonbeine, sprich das kleinste, noch hohle Segment. Es empfiehlt sich, das Segment eingefahren zu lassen und nur auf die anderen Teilstücke und die Mittelsäule zu setzen. Eine praxistaugliche Arbeitshöhe ist so ebenfalls gewährleistet, das Rollei steht aber wesentlich stabiler.
Insgesamt vier ausfahrbare Segmente hat jede Stütze. Das mit einem Pfeil markierte, zweitunterste Teilstück sollte man aber eingefahren lassen.
Die maximale Traglast gibt Rollei mit 4,5 Kilogramm an. Wir testeten das Stativ mit einer klassischen Vollformat-Reisekombination aus Panasonic Lumix S55IIX mit 24-105mm-Objektiv mit einem Gewicht von 1,5 Kilogramm. Damit ist das Stativ schon gut beschäftigt und viel weiter sollte man vom Gewicht nicht gehen, wenn tatsächlich sanfte Schwenkbewegungen wünscht. Beachtet man all das, sind mit dem Rollei-Stativ durchaus professionelle Aufnahmen möglich. Hier unterschiedet sich die Qualität auch klar zum Manfrotto Neiger, der auch im Neuzustand für Schwenks eigentlich nicht wirklich geeignet war, dafür aber unter dem langen Einsatz kaum gelitten hat. Ob das beim Rollei Easy Traveller Carbon Video genauso ist, können wir zwangsläufig erst später berichten. Kritisch sehen wir die Kombination von Bewegungssperre und Widerstand in einer Regelung – je weiter die Schraube geöffnet ist, desto geringer der Schwenk- oder Neigewiderstand. Das funktioniert zumindest im Neuzustand überraschend gut – auch wenn die Widerstandsregelung stufenlos ist und der Widerstand nicht präzise eingestellt werden kann. Natürlich dämpft das Easy Traveller nicht so gut wie weitaus teurere und größere Videostative, doch mit etwas Übung sind schnell sanfte Bewegungen möglich. Durch die kurze Stativplatte neigen aufmontierte Kameras zur Kopflastigkeit, trotzdem erledigt das Stativ auch Neigungen ohne große Probleme. Positiv ist zudem das kaum merkliche Nachziehen bei schnellen Bewegungen.

Die Schnellverschlüsse am Stativ sind leichtgängig, aber stabil. Das macht das Stativ flexibel und schnell einsetzbar.
PRODUKTDATEN
Hersteller Rollei Modell Easy Traveller Carbon Videostativ Garantie 2 Jahre Maximalgewicht 4,5 kg Skala horizontal / vertikal ja / nein Nivellier-Halbkugel ja Justierschlitten nein Gegengewichts-Ausgleich nein Bremshebel horizontal/vertikal ja / ja Friktion Fluid (nicht abschaltbar) Minimale Arbeitshöhe 92 cm Maximale Arbeitshöhe 164 cm Maximale Beinspreizung 102 cm Neigebereich +90° bis -65° Gummifüße / Spikes ja / ja Transportlänge 46 cm Bodenspinne / Mittelspinne nein / nein Gewicht 1,36 kg Besonderheiten Tragetasche, zweite Stativplatte Preis 249 Euro (inkl. Mehrwertsteuer) STANDFESTIGKEIT 40 Punkte 19,8/befriedigend KOPFDÄMPFUNG 20 Punkte 10/befriedigend BEDIENUNG 30 Punkte 20/gut AUSSTATTUNG 10 Punkte 5,5/befriedigend
FAZIT
Bei unseren Dreharbeiten verwenden wir im Normalfall zwei Sachtler Flowtech-Stative. Mit solchen Profi-Stativen darf man ein solchen Winzling nicht vergleichen. Schließlich kostet es im Vergleich zum Sachtler aktiv8 flowtech 75 mit 249 Euro einen Bruchteil des 3.460 Euro teuren Profiwerkzeugs.Von einem Reisestativ erwartet man keine Stabilität auf Profiniveau, sondern vor allem Schnelligkeit und Flexibilität, was das Rollei Easy Traveller ohne Zweifel erfüllt und nicht nur gut mit dem Manfrotto Befree Carbon Kit Twist mit Fluid-Videoneiger mithalten kann, sondern sogar leicht übertrumpft. Seine Vorteile sind nicht nur Details wie die Zubehörschraube in der Stativschulter oder die pfiffig in der Mittelsäule untergebrachte Smartphone-Halterung, sondern auch in den Beinverriegelungen, die ein Ticken schneller bedienbar sind als die Drehverschlüsse des Manfrotto. Zudem ist der Kopf etwas besser Fluid-gelagert. Weiß man um dessen Schwachstellen, sind auch sanfte Bewegungen möglich. Auch wenn es der Preis nicht vermuten lässt, sehen wir das Stativ durchaus nicht allein als Amateur-, sondern auch als Profiwerkzeug. Etwa dann, wenn wenig Platz ist und das Gewicht im Flugzeug-Bordgepäck-Maß bleiben muss. Schnell aufbauen und filmen? Mit dem Easy Traveller ist das möglich – und gerade für Interviews, bei denen eher nicht geschwenkt wird, ist das Stativ in seinem Element. Doch auch Amateure, die ihr erstes Stativ suchen, sind mit dem Easy Traveller gut beraten.
Autoren: Joachim Sauer, Jonas SchuppBilder: Jonas Schupp, Joachim Sauer MEDIENBUREAU, Rollei
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