Ratgeber: Brennweiten-Rechner - Bildsensor, Brennweite und Bildwirkung
PRAXIS - RATGEBER:Bildsensor, Brennweite und Bildwirkung
Der Boom zu Vollformat-Fotokameras hat neben APS-C/Super-35 und Micro Four Thirds eine weitere Bildsensor- Größe ins Bewusstsein der Filmschaffenden gerückt. Vorher war diese nicht ganz so prominent, weil das Vollformat vor allem als Fotosystem galt und filmende DSLR-Fotokameras mit diesem Sensor relativ teuer waren. Wer nun in Verbindung mit dem Kauf einer neuen Kamera zu einer anderen Sensor- Größe wechselt, muss mutmaßlich nicht nur neue Objektive anschaffen, sondern sieht sich auch mit einer völlig anderen Bildwirkung gewohnter Brennweiten-Werte konfrontiert. Welche Brennweite in Micro Four Thirds entspricht welcher im Vollformat? Unterscheiden sich die Brennweiten von APS-C und Super-35? Auf diese und weitergehende Fragen soll dieser Ratgeber Antwort geben.

Die Bilder unterschiedlicher Sensoren sehen anders aus, selbst wenn man dieselbe Brennweiten-Wirkung im Hinblick auf den Bildwinkel erzielt: Die 85 mm des Vollformat- Sensors links liefern mehr Hintergrund-Unschärfe als die 56 mm von APS-C (Mitte) und 42,5 mm von Micro Four Thirds (rechts) – bei identischer Blende.
BRENNWEITE UND BILDSENSORWer sich die Brennweiten-Angaben auf den Objektiven verschiedener Kameras ansieht, wird auf eine große Spreizung stoßen. So zeigt das Aufmacherbild oben das respektable 20-fach-Zoomobjektiv eines Profi-Camcorders mit einer Brennweite von 4,5 bis 90 mm. Damit ist schon mal klar, dass das kein Vollformat- Camcorder sein kann, denn zumindest eine solche Anfangsbrennweite ist bei einem Vollformat-Modell nicht zu finden. Der fotografisch vorgebildete Filmer weiß: Im klassischen Kleinbild-Format, das jetzt als Vollformat oder Full Frame bezeichnet wird, galt (und gilt) die 50-mm-Brennweite als Normal-Objektiv und damit als sinnvoll für die möglichst realistische Abbildung eines Motivs, weil es ein ähnliches Bildfeld abdeckt wie das menschliche Auge. 35 mm war dagegen ein gemäßigtes Weitwinkel und 85 mm stand für ein leichtes Tele, ideal für Portrait-Aufnahmen. Wollte man es noch in die Extreme treiben, dann ergaben 15 mm ein Super-Weitwinkel, schon fast ein Fischauge (Fisheye) mit starken Weitwinkel-Verzerrungen. 400 mm wiederum war schon ein starkes Super-Tele.
BRENNWEITE UND BILDWINKELDoch sobald sich die Größe des Bildsensors in einer Kamera ändert, weicht auch die Bildwirkung ein- und derselben Optik-Brennweite vom gewohnten Eindruck ab, nämlich im Bildwinkel und damit im Ausschnitt. Der zur Umrechnung der Brennweiten nötige Wert heißt Crop-Faktor – und zwar deshalb, weil ausgehend von der Bezugsgröße, dem Vollformat, alle kleineren Sensor-Formate auch eine Vergrößerung des Ausschnitts mit sich bringen. Oder umgekehrt ausgedrückt: Für denselben Bildwinkel ist bei einem kleineren Sensor eine kürzere Brennweite nötig, bei einem größeren Sensor folglich eine längere. Die Tabelle auf der nächsten Seite gibt Rechenbeispiele für die verbreiteten Sensor-Größen und die typischen, oft eingesetzten Brennweiten, vom Fast- Fisheye bis zum Super-Tele.

Mit der Wahl der Brennweite ändert sich der Bildwinkel, angegeben in Grad – hier ein Schaubild für Vollformat-Objektive.
Der angegebene Crop-Faktor gilt natürlich auch für Anfangs und Endbrennweite bei einem Zoomobjektiv, wobei generell alle Millimeter-Angaben nur Näherungswerte sind und auf tatsächliche Objektivgrößen gerundet wurden. Dennoch kann man den jeweiligen Crop-Faktor als Anhaltspunkt für eigene Umrechnungen nehmen.

Was ist eigentlich die Brennweite? Der Abstand von der Mittelebene einer Objektivlinse zum Brennpunkt der Lichtstrahlen, angegeben in Millimetern.
BRENNWEITE UND BILDWIRKUNGWenn man beim Wechsel von einer Kamera mit APS-C-Sensor zu einer mit Vollformat zum Beispiel das gewohnte 56-mm-Portrait-Tele (siehe Bildbeispiele oben) durch das entsprechende 85-mm-Vollformatobjektiv ersetzt, bekommt man dennoch keine identische Bildwirkung – selbst wenn alle anderen Parameter wie Blende und (natürlich) Entfernung gleich sind. Denn wegen der längeren Brennweite hat ein größerer Sensor im Vergleich zum kleineren immer eine geringere Schärfentiefe. Das Vollformat-Bild zeigt deshalb ein größeres, weicheres Bokeh als das mit der umgerechneten APS-C-, Super-35- oder gar 1-Zoll-Optik. Übrigens: Je größer ein Sensor ist, desto länger ist auch die Brennweite und damit das Objektiv selbst. Das erhöht nicht nur das Gewicht der Optik, sondern auch den Preis.

Eine Frage der Fläche: ein Größenvergleich vom Vollformat-Sensor (links) über APS-C bis zu 1/2,3 Zoll, verbreitet in Consumer-Kameras. Je nach Sensor-Größe erziehlt dieselbe Brennweite einen anderen Bildwinkel und damit Bildausschnitt.
Und es führt dazu, dass bei Camcordern mit kleinem Sensor und fest eingebautem Zoom hohe Faktoren wie 10x, 15x oder sogar 20x üblich sind, bei Vollformat-Zooms aber oft nur 3x. Zu groß, schwer und teuer würde sonst ein solches 20-fach-Zoomobjektiv.
BRENNWEITEN-UMRECHNUNG: NÄHERUNGSWERTE
Bildsensor-Größe Vollformat Super-35 APS-C MFT 1-Zoll-Typ 2/3 Zoll 1/2 Zoll 1/2,3 Zoll 1/3 Zoll Brennweite Super-Weitwinkel 15mm 11mm 10-11mm 7,5-8mm 5,6mm 4,1-4,5mm 3-3,3mm 2,7-2,8mm 2,1mm Brennweite Weitwinkel 35mm 23-25mm 21-23mm 17,5-18mm 12,9mm 8,5-9mm 6,3-6,5mm 6mm 4,7-4,9mm Brennweite Normal 50mm 30-33mm 30-32mm 25mm 18,5mm 12,8mm 9,3mm 8,6mm 6,9mm Brennweite Portrait-Tele 85mm 57mm 55-56mm 42,5mm 31,5mm 21,8mm 15,7mm 14,6mm 11,8-12mm Brennweite Super-Tele 400mm 285mm 266-250mm 200mm 148mm 103mm 74,1mm 68,5mm 50-55,6mm Crop-Faktor 1 ca. 1,4 1,5-1,6 2 ca. 2,7 ca. 3,9 ca. 5,4 ca. 5,6 ca. 7,2Aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht aufgeführt ist hier der Mittelformat-Sensor der aktuellen Fujifilm-Kameras. Da er größer ist als Vollformat, gilt für ihn aber ein Crop-Faktor von 0,8 für Umrechnungen vom Vollbild aus.
Autoren: Hans Ernst / Bilder: Hans Ernst, Sony, Bayerischer Rundfunk, Universität Passau
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